Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir fossile Brennstoffe im Boden lassen. Aber Regierungen, die aus der Kohle aussteigen, die Gasförderung beenden oder Ölpipelines stoppen, können von Konzernen vor privaten Gerichten verklagt und zu Schadenersatz in Milliardenhöhe herangezogen werden. Wie das? Unter dem Energiecharta-Vertrag (ECT). Es liegt nun an den europäischen Regierungen und der Europäischen Kommission, aus dem klimaschädlichen ECT auszusteigen und seine Ausweitung auf noch mehr Länder zu stoppen.
Stoppt den Anti-Klima-Vertrag!
Hintergrund
- Was ist der Energiecharta-Vertrag (ECT)?
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Der ECT ist ein internationales Abkommen von 1994, das für mehr als 50 Länder gilt. Der ECT gibt ausländischen Investoren im Energiesektor weitreichende Befugnisse, Staaten wegen staatlicher Maßnahmen zu verklagen, die ihre Investitionen angeblich beeinträchtigen. Die Investoren nutzen ein paralleles Gerichtssystem, um zu klagen, und die Entschädigungen, die Regierungen zahlen müssen, können in die Milliarden gehen. Der ECT ist zunehmend umstritten - insbesondere wegen seines Potenzials, den Übergang von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu behindern.
- Wie untergräbt der ECT den Übergang zu sauberer Energie?
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Der ECT erlaubt es ausländischen Investoren im Energiesektor, Regierungen für Entscheidungen zu verklagen, die sich negativ auf ihre Gewinne auswirken könnten. Das schließt auch die Klimapolitik ein. So verklagt beispielsweise der deutsche Kohlegigant RWE die Niederlande auf 1,4 Milliarden Euro "Entschädigung" für den niederländischen Kohleausstieg. Da das ECT-Rechtssystem Investoren begünstigt, unvorhersehbar ist und die Bußgelder, die Regierungen auferlegt werden können, katastrophal hoch sind, stellt der Vertrag einen starken Anreiz dar, dringend benötigte Maßnahmen zur Förderung der Energiewende zu verzögern, abzuschwächen oder zu unterlassen.
- Welche Länder sind gefährdet?
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Viele. Dies sind die Länder, in denen der ECT in vollem Umfang gilt und die daher verklagt werden könnten, wenn sie Maßnahmen ergreifen, um fossile Brennstoffe im Boden zu halten: Afghanistan, Albanien, Armenien, Österreich, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Japan, Jordanien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, Malta, Moldawien, Mongolei, Montenegro, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan, Ukraine, Vereinigtes Königreich, Usbekistan und Jemen. Als einzelnes ECT-Mitglied kann auch die EU als Ganzes verklagt werden.
- Wie sieht es mit der Ausweitung auf noch mehr Länder aus?
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Das in Brüssel ansässige Sekretariat des ECT - die treibende Kraft bei der Werbung um Unterstützung und neue Unterzeichner für den Vertrag - unternimmt große Anstrengungen, um die geografische Reichweite des Abkommens auf Länder in Afrika und dem Nahen Osten, Asien und Lateinamerika auszuweiten. Das Sekretariat spielt die Risiken des ECT herunter und übertreibt seine Vorteile. Infolgedessen stehen viele Länder Schlange, um das Abkommen mit seinen extremen Investorenprivilegien zu unterzeichnen. Mit der Unterzeichnung riskieren sie die Fähigkeit, ihre eigene Energiepolitik zu bestimmen, einzuschränken und sich kostspieligen Klagen von Investoren zu öffnen. Wir müssen diese gefährliche Ausweitung des ECT stoppen.
- Wie können Länder aus dem ECT aussteigen?
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Der Ausstieg aus dem ECT ist nicht schwierig. Sobald ein Land fünf Jahre lang Mitglied war, kann es den ECT jederzeit durch eine einfache schriftliche Mitteilung verlassen. Dies gilt für fast alle der über 50 Mitglieder des Vertrages, einschließlich der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Sie könnten sofort aus dem ECT austreten; Italien hat das 2016 getan. Ein gemeinsamer Austritt aller verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten hätte eine noch größere positive Wirkung.
- Welche Rolle spielt die EU?
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Gemeinsam mit Mitgliedsstaaten wie den Niederlanden und Großbritannien war die EU die treibende Kraft hinter den ECT-Verhandlungen in den 1990er Jahren. Sie wollten die Investitionen von fossilen Brennstoffunternehmen wie Shell und BP in den postsowjetischen Blockländern schützen. Aber heute stehen die EU-Mitgliedsstaaten vor kostspieligen Klagen und der ECT droht, den europäischen Green Deal und das EU-Klimagesetz zu untergraben. Die EU hat den Schlamassel mit dem ECT begonnen und trägt nun die Verantwortung, ihn zu bereinigen - zum Wohle einer Welt, die schnell dekarbonisiert werden muss.
Weitere Informationen
Kontakt
Sebastian Rötters
Energie- und Kohlekampagnen
sebastian [at] urgewald.org
Sonja Meister
Energie- und Kohlekampagnen
sonja.meister [at] urgewald.org