Zahlreiche große Stromversorger in Europa, darunter RWE aus Deutschland, haben bislang keinen belastbaren Plan für die Erreichung von Netto-Null-Emissionen vorgelegt. Dies zeigt der heute veröffentlichte „Power Transition Tracker“ der urgewald-Partnerorganisationen Beyond Fossil Fuels (BFF) und Reclaim Finance[1].
Gemeinsam fordern die beteiligten NGOs von den Energieversorgern, die geplante Ausweitung des Gaskraftwerksparks zu stoppen und ehrgeizige Transformationspläne zu veröffentlichen. Banken und Investoren müssen dies unterstützen, indem sie ihre finanzielle Unterstützung für fossile Expansionsgeschäfte einstellen und Energieversorger zu glaubwürdigen Plänen für die Dekarbonisierung drängen.
Link zur Veröffentlichung: https://powerutilitiestracker.org/
Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) muss der Stromsektor in den EU- und OECD-Ländern bis zum Jahr 2035 und im Rest der Welt bis zum Jahr 2040 dekarbonisiert werden, damit die Welt innerhalb der Grenzen des 1,5-Grad-Limits von Paris bleibt.[2] Doch keiner der zehn untersuchten europäischen Stromversorger[3] hat einen klaren Plan für die Abkehr von fossilen Brennstoffen veröffentlicht.
Sieben der analysierten Unternehmen (A2A, Enel, ENGIE, EPH, RWE, PGE, und SSE) planen sogar insgesamt 37 neue Gaskraftwerke, die noch bis weit in die Zukunft Gas verbrennen würden. Insgesamt könnten so 25 Gigawatt an neuer fossiler Kapazität entstehen. Dabei dürfte ein Großteil der europäischen Gaskapazitäten bis zum Jahr 2030 nicht ausgelastet sein.[4] Damit binden die verantwortlichen Unternehmen finanzielle Mittel, die verloren sind für Investitionen in erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz.
Moritz Leiner, Energie-Campaigner bei urgewald, sagt: „RWE setzt auf fossiles Gas als Energieträger der Zukunft, anstatt klare Pläne für den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen zu formulieren. Diese anhaltende fossile Abhängigkeit verschärft die Klimaüberhitzung und sorgt so für eine weitere Eskalation klimabedingter Wetterextreme. RWE erschwert damit die Wende hin zur Klimaneutralität. Banken und Investoren, die fossil expandierende Unternehmen wie RWE unterstützen, machen sich mitschuldig an der Zerstörung unseres Klimas. Sie müssen ihre Geschäfte mit fossilem Gas schnellstmöglich beenden."
Details zu fossilen Expansionsplänen von RWE
Die urgewald-Recherchen für die Öl- und Gasdatenbank Global Oil & Gas Exit List zeigen: RWE ist an der Erschließung neuer Öl- und Gasressourcen im Umfang von gut 100 Millionen Barrel Öläquivalent (mmboe) beteiligt. Daneben hat RWE in den vergangenen Jahren ökologisch und menschenrechtlich problematische Verträge für die Lieferung von Flüssigerdgas mit dem australischen Unternehmen Woodside, dem US-Konzern Sempra Infrastructure und dem Staatskonzern ADNOC aus den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen.[5]
Aktuell plant RWE außerdem den Bau neuer fossiler Gaskraftwerke mit einer kombinierten Leistung von 2,5 Gigawatt. an den deutschen Standorten Weisweiler[6] und Werne[7] sowie im britischen Stallingborough[8]. Konzernchef Markus Krebber drängt die deutsche Bundesregierung, einen starken Ausbau von Gaskraftwerkskapazitäten zu ermöglichen.[9]
RWE bringt hierbei immer wieder eine künftige Umstellung auf Wasserstoff bzw. die Ergänzung einer CO2-Abscheidung (CCS) ins Spiel. Doch Gaskraftwerke mit CCS sind ineffektiv und teuer. Eine Umstellung auf durch Erneuerbare Energieträger erzeugten „grünen“ Wasserstoff ist zweifelhaft, denn dieser wird absehbar nur in sehr geringen Mengen verfügbar sein. Zudem ist die Verbrennung von Wasserstoff zur Stromerzeugung wenig effizient. Unter dem Strich bedeuten solche Projekte eine langfristige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
Brigitte Alarcon, Campaignerin bei Beyond Fossil Fuels, sagt: „Der Versuch, Netto-Null zu erreichen und gleichzeitig in fossile Brennstoffe zu investieren, ist so, als würde man für einen Marathon trainieren und dabei jeden Tag eine Schachtel rauchen. Obwohl viele Stromanbieter in nachhaltige Energielösungen investieren, ist es entscheidend, dass sie ehrgeizige Pläne mit klaren Zwischenzielen einführen, um sich bis 2035 von fossilem Gas zu lösen. Nur so können sie ihr Potenzial ausschöpfen, um eine Triebfeder der europäischen Energiewende zu werden.“
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[1] Unter Mitwirkung durch folgende NGO-Partner: ReCommon, IEEFA, Workshop for All Beings, Polish Green Network, Friends of the Earth Scotland, WWF, Re-set, Ember und IIDMA.
[2] Vgl. IEA, Net Zero Emissions by 2050 Scenario (NZE): https://www.iea.org/reports/global-energy-and-climate-model/net-zero-emissions-by-2050-scenario-nze & Net Zero Roadmap: A Global Pathway to Keep the 1.5 °C Goal in Reach, 2023 Update: https://www.iea.org/reports/net-zero-roadmap-a-global-pathway-to-keep-the-15-0c-goal-in-reach
[3] Untersucht wurden zehn große Energieversorger, die für die Transformation der europäischen Energieversorgung eine zentrale Rolle spielen: A2A (Italien), Enel (Italien), ENGIE (Frankreich), EPH (Tschechien), Iberdrola (Spanien), Naturgy (Spanien), PGE (Polen), RWE (Deutschland), SSE (Schottland) und Statkraft (Norwegen).
[4] Vgl. Ember, The final push for EU Russian gas phase-out, März 2025: https://ember-energy.org/latest-insights/the-final-push-for-eu-russian-gas-phase-out/#:~:text=The%20EU%20introduced%20several%20measures,the%20Polish%20EU%20Council%20presidency. & IEA, World Energy Outlook 2024, S. 144f: https://iea.blob.core.windows.net/assets/140a0470-5b90-4922-a0e9-838b3ac6918c/WorldEnergyOutlook2024.pdf
[5] Quellen und weitere Details zu diesen Öl- und Gasfördergeschäften bzw. zu den Lieferverträgen für Flüssigerdgas stellen wir gerne auf Nachfrage zur Verfügung.
[6] https://www.rwe.com/en/press/rwe-generation/2023-07-28-rwe-creates-preconditions-for-constructing-a-hydrogen-ready-gas-fired-power-plant/