Ein ganz besonderes Jahr: Die Jahrestagung der AIIB im "verflixten siebten Jahr"

Pressemitteilung
Berlin 27.10.2022

Nach der Weltbank und der asiatischen Entwicklungsbank hielt nun auch die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) ihre Jahresversammlung ab. Ihre Rechenschaftspflichten und die Rahmenwerke für Umwelt- und Sozialstandards lehnen sich, so die Aussage der Natalie Lichtenstein, ehemalige Beraterin des Präsidenten der Bank, an die Rahmenwerke der etablierten Entwicklungsbanken an, und das wurde auch vom wissenschaftlichen Dienst der Bundesregierung[1] bestätigt.

Urgewald hat von Anfang davor gewarnt, sich von solchen Aussagen nicht blenden zu lassen. Europäer können – und müssen – einen Unterschied machen: Deutschland ist viertgrößter Anteilseigner nach China, Indien und Russland. Europa mit zwei Stimmrechtsgruppen umfasst nahezu die gleiche Stimmkraft wie China. Hier haben wir dargelegt, wie weit selbst die überarbeiteten Umwelt- und Sozialstandards, der Beschwerdemechanismus und die betreffenden Transparenzvorschriften sowie das Governance-Modell der AIIB von denen der Weltbank abweichen. 

Auch in der Einbeziehung der Zivilgesellschaft weicht die Praxis der Bank fundamental von anderen großen Entwicklungs- und Förderbanken ab. Urgewald ist seit Gründung der Bank daran beteiligt, die Überarbeitung der Umwelt- und Sozialstandards, der Unternehmensstrategie (corporate strategy), der Energiestrategie und den Rahmenbedingungen für den Beschwerdemechanismus kritisch zu begleiten und gemeinsam mit anderen NGOs auf eine Verbesserung zu drängen. 

Die Erwartungen in die AIIB und in alle ihre Versprechen waren hoch – aber schon 2020 drückten lokale Gruppenaus, dass die Bank weiter dahinter zurückblieb. 

Die diesjährige Jahresstagung der AIIB stand unter dem Motto: „Sustainable infrastructure towards a connected world“. Damit rückt die Bank noch ein wenig mehr in die Nähe der chinesischen Seidenstraßenstrategie. Laut ihres Präsidenten Jin Liqun sind die anderen Banken für Armutsminderung zuständig, die AIIB fokussiert sich auf Energie, Straßen, städtische Entwicklung und Telekommunikation – „a rising tide lifts all the boats“ (Jin Liqun 2018). Die AIIB ist eine multilaterale Bank initiiert von China. Gleichzeitig dient sie aber gemeinsam mit dem Seidenstraßen-Fonds und den großen Staatsbanken Chinas der Finanzierung kostspieliger Infrastrukturprojekte im Energie- und Verkehrsbereich im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI). 

Besonders makaber ist, dass dieses Jahr der Vorsitz der Jahrestagung durch die Mongolei wahrgenommen wird. Die Mongolei ist nicht nur wichtiges Transitland für die von Russland nach China vorgesehenen Gasleitungen: Gazprom hat im Frühsommer einen Vertrag über die Planung der Sojus-Wostok-Pipeline durch die Mongolei nach China unterzeichnet. In der Erklärung hieß es, dass diese neue Pipeline „eine Fortsetzung der russischen Gaspipeline Power of Siberia 2“ sein wird. Die Mongolei ist zudem eines der Länder, die sich im Zuge der chinesischen Kreditvergabe aktuell in einer kritischen Verschuldungssituation befindet. Der Fall Sukgherel Dugersuren hat auch gezeigt, wie schnell der Vorwurf der Sabotage und die Androhung einer Gefängnisstrafe Umweltaktivismus verhindern. 

„Unsere Partnerorganisationen haben mit zahlreichen BriefenEingaben und Stellungnahmen versucht, in einen konstruktiven Dialog im Namen der geschädigten lokalen Gemeinschaften einzutreten. Nach sieben Jahren braucht es mehr Wissen und Engagement der europäischen Anteilseigner,“ sagte Dr. Nora Sausmikat, Leiterin China Desk bei urgewald. „Der ständige Verweis darauf, dass man leider gegen die spezifisch auf fossile Energieträger abgestellten Bedürfnisse der regionalen Anteilseigner nicht ankomme, oder dass die AIIB eine Investitionsbank und keine Entwicklungsbank sei und daher auch keine Länderstrategien bezüglich Klimaschutzvorgaben habe, sind skandalös.“ 

Das Entwicklungsmodell der AIIB folgt einem chinesischen Verständnis, nachdem Entwicklung primär „ein Prozess einer Technologie-zentrierten Modernisierung“ ist. Die Bedürfnisse der Staaten, also der Clients, nicht die der Menschen stehen hier im Mittelpunkt, hier folgt die Bank dem chinesischen Grundsatz der „bedingungslosen Investitionen“. Daher wundert es nicht, dass die Umwelt- und Sozialstandards schwach formuliert und kaum implementiert werden. 

Wir fordern: eine wertegeleitete Außenpolitik, die auch dem Klimaschutz verpflichtet ist, muss von den demokratisch gewählten Regierungen der Anteilseigner offensiv vertreten werden. Genauso muss der uneingeschränkte Austausch mit der Zivilgesellschaft verteidigt und ausgebaut werden. Höchste Zeit – nach sieben Jahren!

 

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[1] Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, Sachstand, Die Sozial-und Menschenrechtsstandards der Weltbank und der Asiatischen Infrastruktur-Investment Bank, WD 2-3000-091/16.  

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Dr. Nora Sausmikat

    Dr. Nora Sausmikat
    China Desk / Kampagnen zu multilateralen Finanzinstitutionen
    nora.sausmikat [at] urgewald.org
    +49 030 86329 22 32

    Bild Anprechpartner   Dr. Ognyan Seizov

    Dr. Ognyan Seizov
    Leiter Internationale Kommunikation
    ognyan.seizov [at] urgewald.org
    +49 (0)30 863 2922-61

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