Tag 5: Auf dem Schildkrötenberg: bedrohtes Naturparadies

Dienstag, den 10.März 20

Luke lässt uns um 5 Uhr früh aufstehen, doch der heraufziehende, heftige Regen macht dem frühen Abmarsch einen Strich durch die Rechnung. Endlich besteigen wir das Boot, das uns diesmal flussabwärts zum Camp unterhalb des Schildkrötenberges bringen soll.
Und dann setzt wieder Regen ein, der immer heftiger wird, weil wir geradewegs dem Regen hinterher und hinein fahren. Ich bekomme gerade noch meine Regenjacke übergezogen, Tom schützt seine Kameraausrüstung mit doppeltem Plastiksack als das Wasser uns bis auf die Haut (mich zum Glück nur an wenigen Stellen) durchtränkt. Denis und Tom ertragen stoisch diesen Regen, ganz ähnlich den beiden Makushis, die den Regen ohne eine Miene zu verziehen über sich ergehen lassen. Klatschnass erreichen wir das Camp inmitten des Waldes.
Bei einsetzendem Sonnenschein nehmen wir hier das Interview mit Luke auf, der seinen Lebensunterhalt mit dem Ökotourismus verdient. Denn das Land erweckt inzwischen Aufmerksamkeit. Guyana erhielt 2019 den Preis für das Ökotourismus-Ziel Nummer 1 der Welt!
Diese Auszeichnung wurde Guyana auf der globalen Reisemesse ITB in Berlin überreicht.

Dann wandern wir los, hinauf auf den 300m hohen Schildkrötenberg. Eine zweite Gruppe Touristen geht an uns vorbei, deren Führer dann plötzlich ins Unterholz abzweigt. Wir gleich hinterher, denn sie sind auf der Suche nach dem auf dem Boden lebenden Kuckuck, eine absolute Rarität. Doch als wir gerade ergebnislos die Suche abbrechen wollen, entdeckt Luke auf dem mit Laub bedeckten Boden eine gelbfüßige Schildkröte. Sie versteckt ihren Kopf erst noch im Panzer, aber als wir lang genug um sie herumstehen, entscheidet sie sich doch noch in unserer Gegenwart weiter zu krabbeln.

Abholzung und Goldschürfen

Oben angekommen haben wir einen phantastischen Blick. Ein weißer Habicht zieht Kreise, wir genießen die Aussicht bis hin zum Essequibo und den etwa 30 km entfernten Bergen. Am Fluss endet die geschützte Zone. Wir erfahren, dass dann eine sogenannte nachhaltige Waldbewirtschaftung stattfindet („sustainable logging“), bei der es erlaubt ist, die größten Bäume aus dem Regenwald zu holen. Luke ist ziemlich aufgebracht, als er davon erzählt. Denn wenn man weiß, dass diese Bäume einen Lebensraum darstellen, der teilweise Hunderte von Jahren zum Wachsen braucht, dann ist eine solche nachhaltige Holzbewirtschaftung im Regenwald mit größter Vorsicht zu genießen. Später erfahren wir auch, dass inzwischen der Holzfrevel in diesem Gebiet drastisch zugenommen hat. Und noch ein Problem: Schon früh wurde in diesen fernen Bergen Gold geschürft, was bis heute mit großen ökologischen Problemen vonstatten geht und immer größere Dimensionen annimmt. Beim Abstieg wird noch ein unscheinbarer, kleiner Laubfrosch entdeckt, dessen Schönheit sich erst erschließt, als wir später die Fotos von Tom betrachten. Kurz vor Ende der Wanderung erspäht Laurence noch Flussschildkröten. Tom unternimmt gleich noch einen Abstecher, diese zu fotografieren, die sich weit entfernt im Fluss auf einem Baumstamm sonnen.

Unsere nächste Station ist der etwa 20km entfernte Baumwipfel-Pfad nahe der Atta-Lodge. Wir bewandern diese einstige Forschungsstation in 30m Höhe. Erbaut von kanadischen Wissenschaftlern ist er jetzt eine Touristenattraktion. Wir hören wieder den Ameisen Pitta, schrecken mit dem Drohnenflug einige Macaws sowie angriffslustige Bussarde auf und bekommen erneut ein paar Brüllaffen vor die Linse. Es dämmert bereits als wir den Rückweg antreten. Im Schein der Taschenlampen zeigt sich eine kleine, giftige Lanzenotter, die vor uns den Weg kreuzt.

Durch die Dunkelheit fahren wir 60km über die relativ gut ausgebaute Sandpiste zur Surama-Lodge. Diese befindet sich am Rande des Regenwalds in der Savanne. Beim Abendessen leisten uns eine große Tarantel zusammen mit einem Gecko und einem Laubfrosch, die unter dem Dach prangen, Gesellschaft.

Der volle Mond scheint auf eine unwirkliche Landschaft, ich schlafe diesmal tief und fest.