Drei Jahre AIIB: Studie offenbart drohenden Kontrollverlust europäischer Anteilseigner

Pressemitteilung
Berlin 02.04.2019

Asian Infrastructure Investment Bank

Drei Jahre nach dem Start der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) offenbart eine neue Studie, dass die Standards der AIIB für Transparenz, Umwelt und Menschenrechte deutlich hinter die anderer multilateraler Banken zurückfallen. Die vom Bundestag formulierten Bedingungen für die deutsche AIIB-Beteiligung erfüllt die Bank bisher nicht.[1] Autorin der Studie ist die langjährige Expertin für multilaterale Banken Dr. Korinna Horta, Auftraggeber sind die Heinrich-Böll-Stiftung und urgewald. Gestern Abend wurde die Studie in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin vorgestellt.

Horta hat untersucht, wie konsequent die Richtlinien der AIIB Umweltschutz, Menschenrechte und Transparenz bei ihren Projekten sicherstellen und Vergleiche zu anderen multilateralen Banken gezogen. Dabei hat die Autorin massive Schwachstellen entdeckt. „Die Standards klingen meist gut, bei genauerem Blick enthalten sie aber große Lücken und sind in vielen Fällen nicht verpflichtend. Offenbar möchte die AIIB potenziellen Kreditnehmern signalisieren, dass sie sich keine Sorgen um allzu großen Schutz von Umwelt und Menschenrechten machen brauchen“, sagt Horta.

Die AIIB soll Infrastrukturprojekte in Asien und anderen Weltregionen finanzieren. China ist unter den inzwischen 70 Mitgliedsstaaten mit Abstand die tonangebende Nation – mit über 26 Prozent der Stimmanteile hat sie de facto ein Vetorecht. Deutschland hält als größter nicht-regionaler Anteilseigner über 4 Prozent der Stimmanteile und steht nach China, Indien und Russland an vierter Stelle der größten Anteilseigner.

Beteiligte Staaten wie Deutschland stellt die Kontrolle der AIIB-Geschäfte vor große Herausforderungen. Der Verwaltungsrat, in den die Mitgliedsstaaten ihre Vertreter entsenden, arbeitet nicht am Sitz der Bank, sondern aus der Ferne – dies ist, abgesehen von Einzelfällen, unüblich für multilaterale Banken. Der chinesische AIIB-Präsident Jin Liqun soll bis auf einige Ausnahmen im Alleingang über sämtliche Projekte für den privaten Sektor entscheiden, die einen Umfang von bis zu 100 Mio. US-Dollar haben; bei Projekten im öffentlichen Sektor entscheidet er sogar über alle Projekte bis zu 200 Mio. Dollar Umfang. Bislang ist unklar, wie detailliert der Verwaltungsrat vor einem Finanzierungsbeschluss über Projekte informiert wird.

„Mitgliedsstaaten wie Deutschland können so niemals absehen, welche Gefahren ein Projekt für die Umwelt oder die Zivilgesellschaft birgt. Dabei verursachen gerade Infrastrukturprojekte immer wieder schwere Schäden, denken wir nur an Großstaudämme oder Straßen in bewaldeten Gebieten. Will die AIIB vermeiden, dass sie zu einer Bank der Zerstörung wird, muss sie dringend mehr Aufsicht zulassen“, fordert Knud Vöcking, Experte für multilaterale Banken bei urgewald.

Im Falle von Beschwerden sollen sich Betroffene an den hauseigenen Project-affected People’s Mechanism (PPM) wenden. Hortas Analyse: „Im Gegensatz zu den Beschwerdemechanismen anderer multilateraler Banken macht es die AIIB Betroffenen schwer, sie müssen einen Hindernislauf an bürokratischen Auflagen bewältigen. Dies zielt offensichtlich darauf ab, betroffene Menschen auf Distanz zu halten.“

Die Umwelt- und Sozialstandards will die AIIB outsourcen, indem sie ihren öffentlichen und privaten Kunden erlaubt, eigene Schutzstandards anzuwenden. „Es ist völlig unklar, wie das AIIB-Management überprüfen will, ob die fremden Standards den eigenen entsprechen und ob sich die Kreditnehmer auch an die Regeln halten“, kritisiert Vöcking.

Laut Hortas Analyse zielt die AIIB-Strategie auf maximalen Kapitalabfluss bei möglichst geringen Auflagen. Im Ringen multilateraler Banken um Investitions-möglichkeiten könnte dies dazu führen, dass Konkurrenten wie die Weltbank ihre Transparenz-, Umwelt- und Sozialstandards verwässern.

„Europäische Anteilseigner der AIIB, die der Bank internationale Glaubwürdigkeit verleihen, verfügen gemeinsam über einen Stimmanteil von knapp 24 Prozent. Sie müssen ihn nutzen und sich für einen starken, unabhängigen Beschwerdemechanismus, mehr Transparenz und die Kontrolle und Begrenzung der Macht des AIIB-Managements einsetzen“, fordert Jörg Haas, Referent für Internationale Politik bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Haas ergänzt: „Jüngst wurde bekannt, dass die AIIB auch in den Vereinbarungen über den Beitritt Italiens zu Chinas ‚Neuer Seidenstraße‘ erwähnt wird. Dies nährt die Sorge, dass die chinesische Regierung die AIIB für eigene geopolitische Interessen missbrauchen könnte, indem sie politisches Wohlverhalten belohnt.“ Vor Kurzem hat AIIB-Präsident Jin Liqun das Projekt ‚Neue Seidenstraße‘ und seine Bank als die zwei Motoren desselben Flugzeugs beschrieben.[2]

 

Hinweis zur Veröffentlichung:

Ab 03. April wird die Studie auch in Deutsch verfügbar sein unter dem Titel:
“Die Asiatische Infrastruktur Investment Bank (AIIB): Eine multilaterale Bank, in der China die Regeln bestimmt.“

 

Kontakte:

Moritz Schröder-Therre, urgewald-Pressesprecher:
0176/64079965,
moritz@urgewald.org

Jörg Haas, Referent für Internationale Politik, Heinrich-Böll-Stiftung:
030 28534318,
haas@boell.de

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[1] Vgl. Bundestag Drucksache 18/6568, S. 5: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/065/1806568.pdf

[2] China Daily, 7.9.2018: http://www.chinadaily.com.cn/a/201809/07/WS5b91e867a31033b4f4654cd3.html