Wie grün sind Investitionen in Energieprojekte im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI)? Und welche Rolle spielen in diesem Kontext Chinas Schiedsgerichte für die Neue Seidenstraße?
Eine grüne Seidenstraße versprach nicht nur Jin Liqun bei der Gründung der ersten chinesisch dominierten multilateralen Investitionsbank AIIB, sondern auch die chinesische
Regierung, als sie im Mai 2017 Hunderte von Milliarden US-Dollar zur Förderung von Banken und Unternehmen für deren Investitionen entlang der Neuen Seidenstraße in Aussicht stellte. Und noch vor der Verabschiedung des Pariser Abkommens im November 2015 wurde im März 2015 ein Grüner Seidenstraßenfonds gegründet, um die „Grüne BRI“ zu finanzieren.
In ihrer 2018 veröffentlichten Studie „Moving the Green Belt and Road Initiative: From Words to Actions“ haben das World Resources Institute (WRI) und das Global Development Policy Center (GDPC) die Finanzinvestitionen chinesischer Entwicklungs- und Investitionsbanken genauer untersucht. Sie fanden Folgendes heraus: Zwischen 2014 und 2017 haben sechs große Banken – China Development Bank (CDB), Export-Import Bank of China (China EXIM) und die kommerziellen Staatsbanken, die sogenannten „Großen Vier“ – 143 Milliarden US-Dollar in den Energie- und Transportsektor der BRI investiert.
Nahezu drei Viertel dieser Summe ging an die Öl-, Kohleund Gasindustrie. In derselben Zeitspanne flossen 45 Milliarden US-Dollar der CDB und der China EXIM an Direktkrediten
in Energieprojekte der BRI-Länder, davon wiederum 40 Prozent in die fossile Industrie und hier vor allem in die Kohleindustrie.
China steigt da ein, wo sich andere Geldgeber zurückziehen
Dabei ist China weltweit der größte Investor im Bereich Erneuerbare Energien. Außerhalb der eigenen Grenzen investiert China aber kräftig in Kohle: Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald fand heraus, dass insgesamt 221 Gigawatt (GW) Kohleverstromung geplant sind, fast das Doppelte der Vorhaben Indiens und mehr als die derzeitige Kapazität Deutschlands von 200 GW. Chinesische Investoren steigen dort ein, wo sich andere Geldgeber aus der Kohlefinanzierung zurückziehen. Laut einem 2019 veröffentlichten Bericht des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) finanzieren chinesische Entwicklungs- und Staatsbanken sowie Unternehmen mehr als ein Viertel aller außerhalb von China geplanten oder sich im Bau befindlichen Kohlekapazitäten.
Die Daten der Organisation urgewald ergaben darüber hinaus, dass chinesische Banken weltweit die dominierende Rolle bei der Förderung von Kohlekraftwerken einnehmen,
da sie 69 Prozent der weltweiten Underwritings, also Investmentdienstleistungen für die Kohleinvestitionen übernehmen. Kurz gesagt: Sie sorgen dafür, dass sich die Kohleinvestitionen auch lohnen. Die Bevölkerung der Zielländer profitiert hingegen weniger – im Gegenteil: Vielerorts fehlen dringend nötige Umweltschutzauflagen, oder diese werden vor dem Hintergrund der chinesischen Investitionen aufgeweicht. Groß angelegte Investitionen in Kohle behindern diese Länder langfristig in ihrer Entwicklung. Die Kraftwerke haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 40 Jahren.
Neue Kohlekraftwerke in Bangladesch finanziert von China
Kohle ist die schmutzigste Art der Energiegewinnung überhaupt. Die jeweiligen nationalen Entwicklungspläne widersprechen oft den schnell beschlossenen Investitionsvorhaben. So hat zum Beispiel Bangladesch Abkommen mit Indien, China, Japan und anderen Staaten über den Bau von 29 Kohlekraftwerken abgeschlossen, 13 davon werden von chinesischen Institutionen finanziert. Im Dezember 2019 haben über 40 vorrangig asiatische Organisationen einen Appell an den Premierminister von Bangladesch gerichtet, dem durch das Climate Vulnerable Forum (CVF) gerade ausgerufenen „Notstand des Planeten“ auch Taten folgen zu lassen. 29 neue Kohlekraftwerke in Bangladesch seien nicht die richtige Antwort.
In Myanmar wurde gerade in dem Gebiet, das durch die gewaltvollen Zusammenstöße in Zusammenhang mit der Letpadaung-Kupfermine weltweit bekannt wurde, erneut eine Gold-Kupfer-Schürflizenz für ein Gebiet so groß wie Singapur an eine chinesische Staatsfirma (PanAust im Besitz der Guangdong Rising H.K. (Holding) Limited) vergeben. Die Region Sagaing leidet heute schon unter massiven Umweltschäden.
Wenn demnächst Staatsoberhäupter viel zu spät begreifen, dass ihr Handeln gegen vereinbarte NDCs (national festgelegte Beiträge zum Klimaschutz) oder beschlossene
Entwicklungsstrategien verstößt und eine Nachverhandlung oder Kündigung in Betracht ziehen (müssen), sich viel zu hoch verschuldet haben oder Investitionszusagen nicht
mehr eingehalten werden können, ist dies in der Regel ein Fall für die Schiedsgerichte. Investitionen chinesischer Firmen im Energieinfrastrukturbereich sind in den meisten
Fällen mit Landnahme, Vertreibung und massiven Eingriffen in das Ökosystem verbunden. Konflikte sind hier vorprogrammiert.
Verknüpfung von Handels- und Investitionsschiedsgerichtsbarkeit
Chinesische Unternehmen und auch der chinesische Staat haben in der Vergangenheit in den existierenden streitschlichtenden Institutionen – ob nun in der Handels- oder
Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, unter anderem bei Streitbeilegungsverfahren zwischen Firmen und Staaten als Teil internationaler Handelsabkommen (ISDS, investor-state dispute settlement) – nicht unbedingt positive Erfahrungen gemacht. In dem 2019 vorgestellten politischen Briefing Paper „China’s International Commercial Courts for the ‘Belt & Road’: A gateway for Beijing’s bigger role in global rules setting“ wird nicht nur dargestellt, warum und auf welcher Basis die neuen chinesischen Handelsgerichtshöfe 2018 geschaffen wurden. Es wird auch dargestellt, inwieweit diese in eine neue Form der Verknüpfung von Handels- und Investitionsschiedsgerichtsbarkeit eingebunden sind.
Dies ist gerade und vor allem deswegen interessant, da bei dem nun auf 2021 verschobenen EU-China Gipfel in Leipzig das langwierig verhandelte Investitionsschutzabkommen beschlossen werden sollte, welches bis dato noch offen ist. Die neuen Handelsgerichtshöfe in Xi’an (Landroute) und Shenzhen (Maritime Route) sind erstmals eigens für die Seidenstraße geschaffene Institutionen, wenn auch nicht auf sie beschränkt. Sie sind aber in Wirklichkeit nur „Kammern“ unterhalb des obersten Gerichtshofes (Supreme People’s Court) und damit Teil der existierenden Schlichtungsmechanismen. Sie sind zwar nicht autorisiert, Investor-State-Streitfälle zu behandeln, doch solange das EU-China-Investitionsschutzabkommen noch nicht beschlossen ist, bleibt auch die Zuständigkeit für Investitionen im Rahmen der BRI offen.
Neue Schiedsgerichte: Chinesische Standards globale durchsetzen
Die neuen Gerichtsstände stellen auch neue „Legal Hubs“ (Matthew Erie, 2019) dar, die eine Lösung aus einer Hand bieten, das heißt Rechtsprechungs-, Vermittlungs- und Schiedsgerichtsdienste umfassen. Letztere werden unter anderem auch von der China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC) und der Beijing Arbitration Commission (BAC) bereitgestellt, die beide erst kürzlich Regeln für die Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Investoren und Staaten veröffentlicht haben. Der Shenzhen Court of International Arbitration (SCIA) hat ebenfalls gerade seine Regeln erweitert, um der Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Investoren und Staaten Rechnung zu tragen. Dies bedeutet, dass die Beschränkung auf ausschließlich Handelsstreitigkeiten abgeschwächt wurde, sodass eine künftige Integration von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat in die neuen Gerichte möglich sein könnte.
Viele internationale Fälle wurden zwar noch nicht verhandelt, aber im Dezember 2019 zeigten die Gerichte, dass sie durchaus wirkmächtig sein können, um chinesische Standards global durchzusetzen. Damals wurde in einer der ersten Entscheidungen festgelegt, dass der wirtschaftliche Schaden des chinesischen Importeurs eines Medikamentes des italienischen Herstellers Bruschettini nach Verkaufsverbot und Rückruf voll durch den italienischen Beklagten zu tragen war. Mängel in italienischen Produktionsstätten wurden von einem chinesischen Inspektionsteam festgestellt.
Die Seidenstraßengerichte werden für den regionalen und internationalen Handelsverkehr gerade auch vor dem Hintergrund des EU-China-Investitionsschutzabkommens eine Rolle spielen. In Bezug auf Klimaschutz wird mit den neuen Gerichten eher eine klimaschädigende Handelspraxis gestärkt, denn die betroffenen Staaten – oft strategische Partner Chinas und BRI-Unterstützer – werden weder an die NDCs angepasst Umweltgesetze durchsetzen noch ihren Bevölkerungen
erlauben, gegen die Kohleinvestitionen vorzugehen.