SOCAR: Das fossile Rückgrat des COP-Gastgebers Aserbaidschan

Pressemitteilung
Berlin/Baku 23.10.2024

Heute veröffentlichen die Umwelt- und Menschenrechts-NGOs urgewald und CEE Bankwatch einen Bericht über Aserbaidschans staatlichen Öl- und Gaskonzern SOCAR (State Oil Company of Azerbaijan). Kurz vor der in Aserbaidschan stattfindenden Weltklimakonferenz beleuchtet er den Konzern, dem das dortige Alijew-Regime einen Großteil seiner Macht verdankt. Er zeigt unter anderem die gewachsenen Abhängigkeiten der Europäischen Union als Ganzes sowie verschiedener europäischer Länder. So betreibt der Konzern etwa ein Tankstellennetz in der Schweiz und spielt eine zentrale Rolle bei Aserbaidschans politischer Einflussnahme in Ländern wie Deutschland.

Bericht zum Download:
https://www.urgewald.org/en/shop/socar-azerbaijans-fossil-fuel-proxy

Der Bericht zeigt, dass die aserbaidschanische Volkswirtschaft massiv abhängig ist von den SOCAR-Einnahmen, die fast ausschließlich auf fossilen Energieträgern 
beruhen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur machen fossile Brennstoffe 90% der Exporteinnahmen, 60% der Staatseinnahmen und 30-50% des BIP aus. 

Während die Ölproduktion des Landes seit 2010 rückläufig ist, steigt die Gasproduktion ungebremst an. Als „Geschenk Gottes“ bezeichnete Aserbaidschans Machthaber Ilham Alijew die Öl- und Gasvorkommen seines Landes beim Petersberger Klimadialog im April 2024.[1] Ausgerechnet Mukhtar Babayev wurde zum Präsidenten des im 
November stattfindenden Weltklimagipfels bestimmt. Er ist ehemaliger leitender Angestellter bei SOCAR mit einer 26-jährigen Karriere beim Konzern. 

Nach Schätzungen der Organisation Global Witness will Aserbaidschan in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich 411 Mrd. Kubikmeter Gas fördern. Dadurch würden 781 Mio. Tonnen Kohlendioxid freigesetzt – deutlich mehr als die Kohlendioxidemissionen Deutschlands im gesamten Jahr 2023.[2]

Um sein Image aufzubessern, hat SOCAR im Dezember 2023 SOCAR Green gegründet. Diese Unternehmenstochter will in Wind, Solar, grünen Wasserstoff und CCS investieren. Ein Teil der Erneuerbaren-Projekte soll in der bis vor kurzem umkämpften Region Bergkarabach entstehen. Dem Klimaschutz soll dies allerdings nicht dienen: SOCARs Plan sieht vor, durch den Ausbau Erneuerbarer Energieträger den heimischen Gasverbrauch zu senken, um somit mehr Gas exportieren zu können.

Regine Richter (urgewald), eine der Autorinnen des SOCAR-Reports, kritisiert: „SOCAR ist das fossile Rückgrat des Alijew-Regimes. Die klimaschädlichen Expansionspläne von SOCAR zeigen, dass der Konzern daran auch nichts ändern will. Umso verantwortungsloser ist das Umwerben Aserbaidschans durch die Europäische Union und durch Länder wie Deutschland beim Versuch, sich neue fossile Gaslieferwege zu erschließen. Es ist fatal, dass sich erneut ein auf fossilem Wohlstand erbautes Regime anschickt, den Ton bei den Klimaverhandlungen vorzugeben. Die Länder mit Klima-Ehrgeiz müssen umso stärker ihren Einfluss geltend machen, sonst wird es eine verlorene COP.“

Europäische Länder und Energiekonzerne unterstützen SOCAR bei seinen Gasexporten: Laut Abkommen mit der EU soll Aserbaidschan seine Gaslieferungen nach Europa bis 2027 verdoppeln. Schon jetzt betreiben Unternehmen wie BP, Eni und Total zusammen mit SOCAR Pipelines. Das Megaprojekt Southern Gas Corridor, das aserbaidschanisches Gas aus dem Kaspischen Meer nach Italien leitet, erhielt Fördergelder von multilateralen Banken wie Weltbank, Europäische Investitionsbank, EBRD, Asiatische Entwicklungsbank und Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank.

Recherchen für den Bericht „Banking on Climate Chaos 2024” zeigen zudem, welche internationalen Banken SOCAR durch Kredite und die Begleitung bei Wertpapiergeschäften unterstützen. Folgende europäischen Banken zählen demnach zu den Geldgebern: ING Group, Banque Cantonale de Genève, Crédit Agricole, Raiffeisen Banking Group, Banco Finantia Spain, DZ Bank, Erste Group und Rabobank.

Der vorliegende Bericht zeigt auch: Der Staatskonzern SOCAR diente dem Alijew-Regime als Propaganda-Instrument im jüngsten Krieg in Bergkarabach und war an der Bestechung von Politiker*innen in den USA und in Deutschland beteiligt. 

SOCAR sieht sich zudem mit Vorwürfen der Missachtung von Menschenrechten konfrontiert. Im Jahr 2022 stellte die Organisation zum Schutz der Rechte von Ölarbeitern in Aserbaidschan zahlreiche Verstöße im Ölsektor fest, darunter Lohnverzögerungen, Diskriminierung am Arbeitsplatz, illegale Vertragskündigungen, Verstöße gegen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften sowie Umweltverschmutzung.

Manana Kochladze, Co-Autorin und Regionalkoordinatorin bei der Organisation CEE Bankwatch, kommentiert: „Die aserbaidschanische Regierung zeigt null Toleranz gegenüber Andersdenkenden und ist nicht an einem zivilen Dialog interessiert. Der Staat begegnet Widerstand mit brutaler Gewalt und Verfolgung, sowohl im Inland als auch international. Die Fälle von Gubad Ibadoghlu, einem Akademiker und Experten für fossile Brennstoffe, und Afgan Sadiqov, dem Chefredakteur des aserbaidschanischen Mediums Azel.TV, der derzeit in Georgien auf seine Auslieferung wartet, veranschaulichen dieses düstere Muster. Während andere Regierungen mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um die monumentale Herausforderung der Klimakrise zu bewältigen, bedroht und schikaniert das Alijew-Regime systematisch Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen. Diese Bedingungen wecken nicht gerade Zuversicht für die bevorstehenden Verhandlungen in Baku.“

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