Nach dem Rücktritt von Bob Pickard: urgewald stellt klare Forderungen an die Anteilseigner der AIIB

Pressemitteilung
Berlin 16.06.2023

Der plötzliche Rücktritt Bob Pickards diese Woche ist ein politisches Erdbeben. Die auf Twitter bekanntgemachte Kündigung des Kommunikationschefs der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) macht einmal mehr deutlich, dass der Kriterienkatalog, den Deutschland an Aufsichts-, Rechenschafts- und Governance-Strukturen wie auch die Einhaltung von Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards bei seinem Beitritt zur AIIB eingefordert hatte, nicht eingehalten wird.

Seit der Gründung der AIIB warnt urgewald zusammen mit Partnerorganisationen vor einer Finanzinstitution, „in der China die Regeln bestimmt“. Ganz besonders warnten wir vor politischer Einflussnahme, der engen Verknüpfung zur geopolitischen Ausrichtung der Volksrepublik China, der intransparenten Governancestrukturen ohne wirkliche Aufsichtsfunktion des Exekutivdirektoriums bzw. der Anteilseigner wie z. B. Deutschland.

Die europäische und insbesondere die deutsche Mitgliedschaft verliehen der Bank internationale Anerkennung. Die europäischen Regierungen vertraten die Ansicht, dass sie durch ihre Mitgliedschaft Einfluss auf die Standardsetzung in der AIIB nehmen könnten. In seiner Pressemitteilung, in der der Beitritt Deutschlands zur AIIB als Gründungsmitglied angekündigt wurde, erklärte das deutsche Finanzministerium im März 2015, dass es sich für die besten internationalen Standards und Praktiken in der AIIB einsetzen werde. Dieser ambitionierte Einsatz ist offensichtlich nicht gelungen.

„Seit Jahren hören wir von den europäischen Anteilseignern der AIIB, dass sie kaum Einfluss haben und daher positive Veränderungen kaum möglich wären. Würden sich die europäische Stimmrechtsgruppe zusammentun, hätten sie zusammen einen Anteil von 22 Prozent– durchaus eine Entscheidungsmacht. Die Kündigung von Bob Pickard zeigt, dass sich die westlichen Anteilseigner spätestens jetzt dieser Entscheidungsmacht bewusstwerden sollten. Sie müssen sich für rechtsbasierte Konzepte für Umwelt- und Menschenrechtsschutz und transparente Governancestrukturen einsetzen. Die angekündigte Übertragung der Entscheidungsmacht für 50% der Projekte auf den Präsidenten wäre verheerend“, so Nora Sausmikat, Senior Advisor Kampagnen zu AIIB/ADB, urgewald.

 

Rarer Einblick in eine berüchtigt undurchsichtige Struktur

Bob Pickards Amtsniederlegung ist bedeutungsvoll, weil er jemand ist, der in einer sehr zentralen Position Zugang zu allen Abteilungen der AIIB hat und nach außen kommuniziert. Er legte die politische Einflussnahme Chinas bzw. der Kommunistischen Partei Chinas in der Bank offen und flieht aus Angst vor Repressionen und Verhaftung nach Japan. Seinem Tweet zufolge herrsche „ein kaum vorstellbares toxisches Klima“ in der Bank, und er glaube nicht, dass Kanada mit einer Mitgliedschaft gedient sei. "Ich bin der Meinung, dass die Steuerzahler meines Landes diese Organisation nicht finanzieren sollten, die letzten Endes mehr für China als für Kanada von Nutzen sein wird“, so Pickard.

Die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland ließ prompt verkünden, eine Untersuchung anzuberaumen und vorerst alle Beziehungen zur Bank einzufrieren. Die AIIB hat die Vorwürfe als „rückhaltlos und enttäuschend“ zurückgewiesen.

 

Accountability Framework als Feigenblatt der Eigenmacht

Eklatantes Beispiel dafür, dass das zur Überarbeitung anstehende Accountability Framework eine machtpolitische Mogelpackung ist, zeigt die eingeschriebene Möglichkeit der direkten Bewilligung von Projekten durch den chinesischen Präsidenten. Auf dieser Grundlage wurde trotz monatelanger Warnung des Exekutivdirektoriums durch CSOs das fossile Großprojekt Unique Meghnaghat IPP in Bangladesch ohne Befassung des Direktoriums mit diesem Projekt durchgedrückt. Das zeigt aber auch, dass das Direktorium hier kein Problembewusstsein hat.

"The Unique Meghnaghat Power Plant should have never been get approved. The approval had shown: the accountability framework is a farce,” so Hasan Mehedi, Chief Executive, CLEAN Coastal Livelihood and Environmental Action Network, Bangladesh.

 

Unsere Forderungen

Aufgrund der jüngsten Enthüllungen und der mangelhaften Standards der AIIB hat urgewald die folgenden Forderungen:

 

  • In Abstimmung mit Kanada und den europäischen Anteilseignern muss eine transparente und unabhängige Untersuchung und vollständige Aufklärung der Umstände erfolgen, die zum Rücktritt von Bob Pickard geführt haben.
  • Der Finanzausschuss des Bundestages muss sich im Angesicht dieser Entwicklungen umgehend mit der Mitgliedschaft Deutschlands in der AIIB beschäftigen. Es muss Bilanz gezogen werden, inwieweit die Kriterien, die bei der Mitgliedschaft von Deutschland und anderen europäischen Anteilseignern eingefordert wurden (nicht) eingehalten werden.
  • Es bedarf einer grundlegenden Reform des Beschwerdemechanismus, die die effektive und wirksame Überprüfung der Umwelt-, Sozial- sowie Menschenrechtsstandards bei allen Projekten (inklusive Finanzintermediäre) ermöglicht. Zudem sollte der Beschwerdemechanismus sowohl im Falle von Richtlinienverstößen seitens der AIIB als auch bei Verfehlungen des Kreditnehmers wirksam sein.
  • Eine wirksame Aufsicht und Kontrolle des Managements der AIIB kann zudem nur gewährleistet sein, wenn die derzeitige Machtfülle des Präsidenten der Bank wieder begrenzt wird. Um die Zunahme möglicher politischer Einflussnahme Chinas abzuwenden, muss die angestrebte Quote von 50% aller Projekte, die allein durch den Präsidenten ohne Konsultation durch das Board bewilligt werden kann, verhindert werden.
  • Die deutsche Mitgliedschaft in der AIIB darf nur fortgesetzt werden, wenn zukünftig sichergestellt ist, dass es zu keiner parteipolitischen Einflussnahme Chinas kommt.
  • Wir fordern, alle Aktivitäten (Kreditvergaben) einzufrieren, bis die Vorgänge, die zum Rücktritt von Bob Pickard geführt haben, aufgeklärt wurden. Dies gilt insbesondere für die Bewilligung von fossilen Projekten: am 14.6. wurde das 1,590MW net CCGT Gaskraftwerk in der Republik Usbekistan (Project Number 000603) durch die Anteilseigner bewilligt.
  • Die nächste Boardsitzung (13. Juli) muss dazu genutzt werden, zu klären, wie die Anteilseigner das Managements und den Präsidenten rechenschaftspflichtig halten wollen.
  • Um zukünftig eine kohärente Entwicklungspolitik zu erreichen, die sich an internationalen Menschenrechtsnormen und Klimaschutz orientiert, sollte der Bundestag einheitliche Handlungsanweisungen für alle deutschen Vertreter*innen in multilateralen Finanzinstitutionen entwickeln. Basierend auf den Handlungsanweisungen sollten die deutschen Exekutivdirektor*innen dem Parlament wie auch den zuständigen Fachausschüssen regelmäßig Bericht erstatten.

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Dr. Nora Sausmikat

    Dr. Nora Sausmikat
    China Desk / Kampagnen zu multilateralen Finanzinstitutionen
    nora.sausmikat [at] urgewald.org
    +49 030 86329 22 32

    Bild Anprechpartner   Dr. Ognyan Seizov

    Dr. Ognyan Seizov
    Leiter Internationale Kommunikation
    ognyan.seizov [at] urgewald.org
    +49 (0)30 863 2922-61

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