Ein heute auf der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai vorgestelltes Briefing offenbart, wie stark der Öl- und Gaskonzern ADNOC mit seinen Expansionsplänen die 1,5-Grad-Erwärmungsgrenze gefährdet – und welche Unternehmen und Geldgeber ihn dabei unterstützen. ADNOC wird als Staatskonzern von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kontrolliert, die auch die diesjährige COP ausrichten. urgewald hat das Briefing gemeinsam mit den NGO-Partnerorganisationen Banktrack, LINGO und
Reclaim Finance verfasst.
ADNOC-Briefing zum Download: www.urgewald.org/sites/default/files/media-files/Joint_Report-ADNOC_and_Its_International_Partners_COP28.pdf
ADNOC hat die fünftgrößten Öl- und Gasexpansionspläne weltweit mit einem Gesamtvolumen von knapp 9 Mrd. Barrel Öl-Äquivalent (bboe). Mehr als 92 % dieser Pläne sind mit dem Netto-Null-Emissionsszenario der Internationalen Energieagentur[1] unvereinbar. Damit überschreitet ADNOC die im Szenario gesetzten Grenzen für die Erschließung neuer Projekte von allen Unternehmen am stärksten, wie die Daten der Global Oil & Gas Exit List von urgewald zeigen.[2]
Das Briefing verdeutlicht den Konflikt, der im Mittelpunkt der COP28 steht: Während der CEO von ADNOC, Sultan Al Jaber, die internationalen Klimaverhandlungen zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe leitet, beabsichtigt sein Unternehmen, seine Ölproduktion bis 2030 um 25 % zu steigern.
Einige der größten internationalen Öl- und Gasunternehmen sind an der klimaschädlichen und risikoreichen Expansion von ADNOC in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt. Das französische Unternehmen TotalEnergies hat die meisten gemeinsamen Projekte mit dem Staatskonzern. Die italienische Eni hat den höchsten Anteil an den sich in Erschließung befindlichen Öl- und Gasressourcen (622 Mio. Barrel Öl-Äquivalent/mmboe) unter den ausländischen Partnerunternehmen.
Ebenso gehören INPEX Corporation (Japan, 514 mmboe), ExxonMobil (USA, 435 mmboe), China National Petroleum Corporation (China, 240 mmboe), Wintershall Dea (Deutschland, 196 mmboe), BP (Vereinigtes Königreich, 187 mmboe) und OMV (Österreich, 98 mmboe) zu den insgesamt 19 beteiligten Unternehmen aus 12 Ländern weltweit. (vgl. Briefing, Tabelle S. 12)
Ein alarmierender Nebenaspekt in Bezug auf Wintershall Dea sind aktuelle Medienberichte, laut denen ADNOC ein Übernahmeangebot für den derzeit von BASF kontrollierten größten deutschen Öl- und Gasförderer prüft.[3] urgewald hat vor kurzem eine aktualisierte Version seines Investorenbriefings „Zehn Gründe gegen die Finanzierung von Wintershall Dea“ veröffentlicht: https://www.urgewald.org/sites/default/files/media-files/Briefing_WintershallDea_0.pdf
Sonja Meister, Energie-Campaignerin bei urgewald, kommentiert: „Ähnlich wie ADNOC verfolgt Wintershall Dea ein expansives Geschäftsmodell für fossile Brennstoffe, das unser aller Klimazukunft aufs Spiel setzt. ADNOCs Interesse an einer Übernahme zeigt, wie stark die beiden Konzerne hier auf einer Wellenlänge liegen. Darüber kann der deutsche Öl- und Gasförderer auch nicht mit seinen sehr fragwürdigen Plänen für CO2-Endlagertechnologien und fossilen Wasserstoff hinwegtäuschen. Die Investoren hinter BASF sollten einen Verkauf an das menschenrechtsfeindliche Regime Vereinigte Arabische Emirate verhindern. Stattdessen sollten sie sich für eine radikale Transformation von Wintershall Dea einsetzen, um die fossile Produktion im Einklang mit der 1,5-Grad-Grenze herunterzufahren.“
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[1] Die von urgewald erstellte Global Oil & Gas Exit List (GOGEL 2023) zeigt für jedes Öl- und Gasförderunternehmen, welcher Anteil seiner kurzfristigen Expansionspläne die von der Internationalen Energieagentur aufgezeigten Grenzen überschreitet. Gemeint ist das ursprüngliche, 2021 von der IEA veröffentlichte und 2022 aktualisierte Szenario, das besagt, dass in einer 1,5-Grad-Welt die Genehmigung neuer Öl- und Gasfelder nach 2021 nicht erforderlich ist. Vgl. IEA (2022), S. 133: https://iea.blob.core.windows.net/assets/830fe099-5530-48f2-a7c1-11f35d510983/WorldEnergyOutlook2022.pdf