Der heute veröffentlichte 14. „Banking on Climate Chaos”-Bericht, mitherausgegeben von urgewald, zeigt: In den sieben Jahren seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens haben die 60 größten Privatbanken der Welt fossile Brennstoffe mit insgesamt 5,5 Billionen US-Dollar finanziert.
Allein 2022 waren es 673 Milliarden Dollar, die im Rahmen von Konsortialkrediten und Underwriting-Mandaten an Unternehmen der fossilen Energiebranche flossen. Hiervon gingen 150 Milliarden Dollar an die 100 Unternehmen, die am meisten zur fossilen Expansion beitragen, unter anderem TC Energy, TotalEnergies, Venture Global, ConocoPhillips, und Saudi Aramco.
„Kohle-, Öl- und Gasunternehmen, die weiterhin neue fossilen Quellen erschließen oder Infrastruktur ausbauen, arbeiten gegen die Pariser Klimaziele. Banken müssen sich endlich von Energieunternehmen verabschieden, die nicht bereit sind, ihr zerstörerisches Geschäftsmodell grundlegend zu verändern“, sagt Katrin Ganswindt, Energie- und Finanzkampaignerin bei urgewald.
Die Dringlichkeit ist unbestritten, wie der Weltklimarat (IPCC) in seinem letzten Bericht von März 2023 klar gemacht hat. Fossile Expansion muss sofort aufhören und gleichzeitig der Verbrauch fossiler Brennstoffe rapide zurück gehen, um die schwindende Chance, das 1,5°C-Limit einzuhalten, nicht zu verspielen.
"Banking on Climate Chaos" zeigt, dass die Finanzierung fossiler Unternehmen weiterhin von US-Banken dominiert wird: Sie waren im Jahr 2022 für 28% aller entsprechenden Finanzierungen verantwortlich. JPMorgan Chase ist seit dem Pariser Abkommen der weltweit größte Geldgeber für fossile Energien. [1] Kanadische Banken holen allerdings auf und haben seit dem Pariser Abkommen fossile Unternehmen mit 862 Milliarden Dollar versorgt. Die Royal Bank of Canada (RBC) hat JPMorgan Chase 2022 im Ranking an Platz 1 abgelöst [2].
Folgende fünf europäische Banken haben die fossile Industrie laut „Banking on Climate Chaos“ 2022 am stärksten unterstützt: BNP Paribas auf Platz 12 (20 Milliarden Dollar), Barclays auf Platz 16 (16,5 Milliarden Dollar), Crédit Agricole auf Platz 19 (11,6 Milliarden Dollar), Société Générale auf Platz 20 (11,1 Milliarden Dollar) und HSBC auf Platz 22 (11 Milliarden Dollar).
Deutsche Banken
Drei deutsche Banken gehören zu den 60 größten Finanzierern der fossilen Industrie. Dabei liegen die Commerzbank und die DZ Bank 2022 bei "Banking on Climate Chaos" auf Platz 49 mit 14,6 Milliarden Dollar bzw. auf Platz 59 mit 1,9 Milliarden Dollar – und damit ähnlich positioniert wie in den Jahren zuvor.
Die Deutsche Bank belegt für das Jahr 2022 im Gesamtranking fossiler Finanzierungen Platz 31 (7,5 Milliarden Dollar), bei Finanzierungen für Unternehmen mit Expansionsplänen Platz 29 (2 Milliarden Dollar). In einer reinen europäischen Betrachtung belegt sie Platz 6. Die Bank ist besonders aktiv bei der Finanzierung von Firmen, die neue Export-Flüssiggasterminals (LNG-Terminals) bauen. Von 2021 auf 2022 hat die Deutsche Bank ihre Finanzierungen in diesem Bereich von 340 Millionen Dollar auf 907 Millionen Dollar fast verdreifacht und liegt damit in der LNG-Rangliste von "Banking on Climate Chaos" auf Platz 11. Sie hatte sich 2022 u.a. mit über 750 Millionen Dollar an einem Kredit für „Venture Global Plaquemines LNG“ beteiligt. Venture Global will mit dem Plaquemines Flüssiggasterminal in Louisiana/USA neue Exportkapazitäten für gefracktes US-Gas schaffen, mit massiven Auswirkungen auf lokale Natur und Bevölkerung. Neben der Umweltverschmutzung durch Fracking wird der Bau von Plaquemines Feuchtgebiete zerstören, die als Sturmschutz für die umliegenden Gemeinden dienen.
Der Anstieg bei der Finanzierung von Flüssiggas läuft bei der Deutschen Bank dem ansonsten erfreulichen Trend zuwider, dass bei den gesamten fossilen Finanzierungen, der Unterstützung für Expansionisten, Offshore oder Fracking 2022 gegenüber dem Vorjahr eine Abnahme von Kreditvergabe und Underwriting-Mandaten zu verzeichnen ist.
Global betrachtet erlebt der Flüssiggassektor in der Folge der russischen Invasion in die Ukraine einen Boom. Der massive Ausbau von Flüssiggasinfrastruktur geht nicht nur mit Umwelt- und Klimazerstörung einher, sondern sorgt gerade in Europa für Überkapazitäten. Dennoch erhielten im Jahr 2022 die Top 30 Unternehmen, die im Flüssiggasbereich expandieren, insgesamt 22,7 Milliarden Dollar von den 60 untersuchten Banken. Dies ist ein Anstieg von fast 50 Prozent im Vergleich zu 2021 (15,2 Milliarden). Die Top-5 Finanzierer von expandierenden LNG-Firmen sind Mizuho, Morgan Stanley, JPMorgan Chase, ING und Citi. Auf europäischer Ebene führt in diesem speziellen Segment die niederländische Bank ING, die auch in Deutschland eine große Kundenbasis hat. Sie hat ihre Finanzierung für Flüssiggasfirmen mit 1,2 Milliarden Dollar im letzten Jahr gegenüber 2021 (283 Millionen) mehr als vervierfacht. [3]
Grenzen von Net-Zero Versprechen
43 der 60 untersuchten Banken haben im Rahmen der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) Versprechen zur Dekarbonisierung ihres Portfolios gemacht. Existierende Richtlinien auf der Ebene der individuellen Institute sind allerdings oft so vage, dass sie den Banken unter anderem erlauben, weiter fossile Unternehmen mit massiven Expansionsplänen zu finanzieren. Das trifft auch auf die Deutsche Bank zu, die etwa Unternehmen wie TotalEnergies und Shell finanziert. TotalEnergies will etwa in Uganda und Tansania die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) bauen, die nicht nur zu Naturzerstörung, sondern auch zur Umsiedlung von tausenden Dorfbewohnern führen wird. Shell baut zum Beispiel ein neues LNG-Terminal in den Philippinen und bedroht dadurch die Korallenriffe und Fischgründe der Verde Island Passage, dem sogenannten Amazonas der Ozeane. Sieben Millionen Menschen leben von Fischerei und Tauchtourismus in der Verde Island Passage und sind auf eine Intakte Unterwasserwelt angewiesen.
„Gerade Banken, die sich mit der Mitgliedschaft in der Net-Zero Banking Alliance schmücken, müssten fossilen Unternehmen mit Expansionsplänen den Geldhahn zudrehen. Wir fordern diese Banken auf, Shell die Unterstützung zu versagen sollte die Firma an den Ausbauplänen in der Verde Island Passage festhalten“, plädiert Gerry Arances von der NGO CEED aus den Philippinen.
Banking on Climate Chaos wurde von Rainforest Action Network, BankTrack, Indigenous Environmental Network, Oil Change International, Reclaim Finance, Sierra Club und urgewald verfasst und wird von über 500 Organisationen aus mehr als 50 Ländern weltweit unterstützt.
Weitere Informationen unter bankingonclimatechaos.org
Notizen
[1] JPMorgan Chase hat die Kohle-, Öl-, und Gasindustrie von 2016 bis 2022 mit 434 Milliarden Dollar finanziert. Weitere Informationen und eine Petition dazu vom Koala Kollektiv: https://koalakollektiv.de/jpmorgan/
[2] RBC hat fossile Brennstoffprojekte im Jahr 2022 mit 42,5 Milliarden Dollar unterstützt, darunter 4,8 Milliarden Dollar für Teersande und 7,4 Milliarden für Fracking. RBC finanziert weiterhin Expansionsprojekte, die Menschenrechte und indigene Souveränität verletzen, wie die Coastal GasLink Fracking-Gaspipeline, die ohne Zustimmung des Wet'suwet'en Hereditary Leadership gebaut wird.
[3] ING hat gerade erst im März ihre Öl- und Gasrichtlinie überarbeitet. Nachdem sie bereits im vergangenen Jahr die Unterstützung neuer Öl- und Gasfelder auf Projektebene ausgeschlossen hatte, verspricht sie nun, zukünftig auch keine Pipelines und Terminals mehr zu finanzieren, die die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder unterstützen. ING war wie die Deutsche Bank Teil des Konsortiums für den bereits erwähnten Projektkredit für Venture Global in 2022. Inwieweit ein ähnlicher Projektkredit in Zukunft nun durch die neue Richtlinie wirklich ausgeschlossen ist und ein Abwärtstrend bei der LNG-Finanzierung der ING zu verzeichnen sein wird, bleibt abzuwarten. ING liegt im fossilen Gesamtranking bei „Banking on Climate Chaos“ auf Platz 36 mit 5,2 Milliarden Dollar.