Neuer Bericht deckt auf: Deutschland bricht Glasgower Erklärung
Deutschland hat ein wichtiges Versprechen gebrochen und seine internationale öffentliche Finanzierung für fossile Brennstoffe nicht beendet, wie ein neuer Bericht von Oil Change International (OCI) zeigt.
Auf der COP26-Klimakonferenz der Vereinten Nationen hatte Deutschland zusammen mit 38 anderen Ländern und Institutionen die "Erklärung von Glasgow" unterzeichnet. Die Bundesregierung hatte sich hierdurch verpflichtet, die öffentliche Finanzierung internationaler Projekte für fossile Brennstoffe bis Ende 2022 einzustellen. Der Bericht von OCI zeigt, dass eine wachsende Gruppe von Unterzeichnern, darunter Kanada, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Finnland, Schweden, Dänemark und Neuseeland, ihrer Verpflichtung aus der Glasgow-Erklärung nachgekommen ist und Milliarden von US-Dollar aus fossilen Brennstoffen abzieht. Deutschland hat dieses Versprechen jedoch bisher nicht eingelöst.
Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass Deutschland zwischen 2018 und 2020 jährlich über 2,75 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Finanzmitteln (Kredite und Bürgschaften) für fossile Brennstoffe im Ausland bereitstellte und damit einer der bedeutendsten öffentlichen Geldgeber für Kohle, Öl & Gas in der Welt ist.
Die Bundesregierung ist aktuell in einen "Wettlauf um Gas" verwickelt, bei dem sie unter anderem die umstrittene Erschließung von Gasvorkommen im Senegal unterstützen will und Gasimportgeschäfte mit Katar, den Vereinigten Staaten und dem Irak auslotet.
Im Dezember 2022 wurde zudem bekannt, dass trotz der Glasgow-Zusage Bürgschaftsanfragen für Lieferungen an zehn internationale fossile Projekte im Gesamtwert von 1 Milliarde Euro vorliegen. Darüber hinaus spielte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Schlüsselrolle bei der Abschwächung einer G7-Verpflichtung im Jahr 2022, die nahezu identisch mit der Erklärung von Glasgow war.
Die Bundesregierung ist nach wie vor gespalten zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium, die im Einklang mit der Klimawissenschaft aus der Finanzierung fossiler Energieträger im Ausland aussteigen wollen, und dem Kanzleramt, das sich alle Optionen offen halten will. Im Dezember 2022 wurde berichtet, dass die staatliche Förderbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) auf ihrer Verwaltungsratssitzung im Dezember eine Richtlinie verabschieden wollte, die der KfW die Erlaubnis gegeben hätte, trotz der Glasgow-Zusage weiterhin fossile Brennstoffprojekte zu finanzieren und die 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens zu ignorieren. Nach einem öffentlichen Aufschrei und internen Auseinandersetzungen wurde die Entscheidung vom Verwaltungsrat auf Ende März vertagt. Die Bank gab auf Twitter eine Erklärung ab, in der sie ihr Engagement für das 1,5-Grad-Ziel bekräftigte. Kürzlich haben der Finanzminister und der Bundeskanzler ihren Wunsch bekräftigt, dass die KfW weiterhin Gas finanzieren können soll.
Regine Richter, Referentin für Energie und Finanzen bei urgewald, sagt:
"Wer die fossile Energiewirtschaft weiterhin mit öffentlichen Geldern unterstützt, behindert die ökologische Wende, die Bundeskanzler Scholz ansonsten oft als oberste Priorität für unser Land bezeichnet. Er muss sich entscheiden, ob er die Energiewende fördern oder behindern will."
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe, erklärt:
"Statt gigantische Summen öffentlicher Gelder für neue fossile Projekte bereitzustellen, die mit dem Pariser Abkommen unvereinbar sind, muss Bundeskanzler Olaf Scholz dafür sorgen, dass sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau an die Erklärung von Glasgow hält. Die staatliche Förderbank muss sich offiziell dazu verpflichten, ihre finanzielle Unterstützung für fossile Brennstoff-Projekte im Ausland und in Deutschland zu beenden. Bundeskanzler Scholz, es ist an der Zeit, ein echter Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu werden!"
Adam McGibbon, Public Finance Strategist bei Oil Change International, sagt:
"Olaf Scholz und Robert Habeck haben ein wichtiges internationales Klimaversprechen gebrochen - aber es ist noch nicht zu spät, dies zu ändern. Um sein Versprechen von 2021 einzuhalten, muss Deutschland dringend Richtlinien veröffentlichen, die die internationale öffentliche Finanzierung fossiler Brennstoffe durch alle staatlichen Stellen beenden, mit begrenzten Ausnahmen nur für Gaskraftwerke, die dem 1,5°C-Limit des Pariser Abkommens nicht zuwiderlaufen. Wenn dieses Versprechen unerfüllt bleibt, wird jeder Anspruch auf eine klimapolitische Vorreiterrolle in Scherben liegen."
Kontakte:
Regine Richter, regine@urgewald.org
Adam McGibbon, adam.mcgibbon@priceofoil.org
Constantin Zerger, zerger@duh.de
HINWEISE
Der neue Bericht von Oil Change International, der hier verfügbar ist, zeigt, dass die Erklärung von Glasgow bereits geschätzte 5,7 Milliarden US-Dollar pro Jahr von fossilen Brennstoffen in saubere Energie umgeschichtet hat, mit dem Potenzial einer weiteren Umschichtung von 13,7 Milliarden pro Jahr, wenn alle Unterzeichner ihre Verpflichtungen erfüllen.
Von den sechzehn einkommensstarken Unterzeichnern der Glasgow-Erklärung haben acht politische Maßnahmen ergriffen, die im Großen und Ganzen die auf der COP26 in Glasgow gemachten Zusagen erfüllen (Kanada, die Europäische Investitionsbank, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Finnland, Schweden, Dänemark und Neuseeland). Vier der sechzehn einkommensstarken Länder (Belgien, Schweiz, Niederlande, Spanien) haben neue Maßnahmen ergriffen, die die Förderung fossiler Brennstoffe im Ausland weiter einschränken, aber große Schlupflöcher lassen und/oder die Frist bis Ende 2022 nicht einhalten. Vier der sechzehn einkommensstarken Unterzeichnerstaaten (Deutschland, Italien, Portugal, Vereinigte Staaten) haben noch keine neuen oder aktualisierten Maßnahmen veröffentlicht.
Die öffentliche Finanzierung fossiler Brennstoffe ist eine der Hauptursachen für die Klimakrise. Staatlich unterstützte Finanzierungen tragen dazu bei, das Risiko von fossilen Projekten zu mindern, was diese für private Geldgeber attraktiver macht. Es gibt keine Lösung für den Klimawandel ohne ein Ende der öffentlichen Finanzierung fossiler Brennstoffe.
39 Länder und Institutionen unterzeichneten die Glasgow-Erklärung auf der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow. Die 39 Unterzeichner (die vollständige Liste finden Sie hier) hatten sich zum Ziel gesetzt, "die neue direkte öffentliche Unterstützung für den internationalen Energiesektor für fossile Brennstoffe bis Ende 2022 zu beenden" und stattdessen "unsere Unterstützung voll und ganz auf den Übergang zu sauberen Energien auszurichten". Nach Angaben des International Institute of Sustainable Development (IISD) könnte dies, wenn alle Unterzeichner ihre Zusagen ehrlich einhalten, zu einer Umschichtung weg von fossilen Brennstoffen in Höhe von 28 Mrd. USD/Jahr führen, um den Übergang zu sauberer Energie zu unterstützen.
In seinem jüngsten Bericht der Working Group III hat der Weltklimarat IPCC darauf hingewiesen, dass die öffentliche Finanzierung fossiler Brennstoffe nicht mit der Erreichung der Pariser Ziele im Einklang steht, sie aber eine entscheidende Rolle bei der Schließung der Finanzierungslücke bei Emissionsminderungsmaßnahmen und einem gerechten Übergang (Just Transition) spielen könnte. Mehr Hintergrundinformationen über die Rolle der internationalen öffentlichen Finanzierung bei der Gestaltung von Energiesystemen finden Sie in diesem Briefing von Oil Change International.
In einem Rechtsgutachten von Professor Jorge E. Viñuales von der University of Cambridge und Barrister Kate Cook von Matrix Chambers wird argumentiert, dass Regierungen und öffentliche Finanzinstitutionen, die weiterhin Infrastrukturen für fossile Brennstoffe finanzieren, potenziell dem Risiko von Klimaprozessen ausgesetzt sind.
Im Mai 2022 hatten 122 zivilgesellschaftliche Organisationen Briefe an die Unterzeichner der Erklärung von Glasgow geschickt, in denen sie diese aufforderten, ihre Verpflichtungen einzuhalten. Die Briefe an Deutschland, Italien, Kanada, Frankreich, die USA und andere, Nicht-G7-Länder können hier abgerufen werden.