Neue Studie: EZB unterstützt trotz Klimaversprechen weiterhin fossile Industrien

Pressemitteilung
Frankfurt 23.04.2025

Die Europäische Zentralbank (EZB) gefährdet die Energie-Transformation durch ihre anhaltende Unterstützung von Unternehmen, die auf Kohle setzen oder neue Öl- und Gasprojekte entwickeln. Das ist das Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie der NGOs Reclaim Finance und urgewald.

Still backing fossil fuels - the cost of the European Central Bank’s inaction
Zum Download: https://reclaimfinance.org/site/wp-content/uploads/2025/04/ECB_Collateral_April2025_En.pdf 

Die Ergebnisse zeigen, dass die EZB dringend Umwelt- und Klimaaspekte in ihrem Garantiesystem beachten muss. Entsprechende Vorschläge von Juli 2024 hatte sie jedoch verworfen. Reclaim Finance und urgewald fordern die EZB nachdrücklich auf, ihre laufende Überprüfung der geldpolitischen Strategie für eine ökologische Überarbeitung zu nutzen: Vermögenswerte, die mit umweltschädlichen Aktivitäten in Verbindung stehen, dürfen nicht länger als Garantien akzeptiert werden.[1]

Die aktuelle Recherche offenbart: Seitdem die Zentralbank im Sommer 2024 ursprüngliche geplante [MST1] Klimamaßnahmen stoppte, hat sie neue Vermögenswerte von neun Unternehmen aus fossilen Industrien in ihr Garantiesystem aufgenommen – darunter solche der Öl- und Gasriesen TotalEnergies, BP und Eni. Insgesamt geht es um fossile Vermögenswerte im Umfang von fast 13 Milliarden Euro.[2] Dazu gehören Vermögenswerte mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren. Dies sendet ein fatales Signal an das Finanzsystem: dass fossile Brennstoffe auch in kommenden Jahren als „sichere“ Investition angesehen werden könnten.

Zum Hintergrund: Das „Collateral Framework“ der EZB gibt vor, welche Vermögenswerte (z.B. Unternehmensanleihen) Geschäftsbanken bei der Zentralbank als Sicherheiten hinterlegen können, um frische EZB-Kredite zu erhalten. Im Jahr 2022 kündigte die EZB an, hierbei auch den Klimaschutz zu beachten. Unter anderem plante sie, den Anteil von Vermögenswerten zu begrenzen, welche Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen ausgeben. Im Juli 2024 gab die EZB diesen Plan jedoch auf.
Die aktuelle Recherche belegt, dass seitdem zahlreiche CO2-intensive Unternehmen von neuen Garantien profitiert haben. Dies kann auch zu günstigeren Finanzierungsbedingungen für diese Unternehmen führen.[3]

Clarisse Murphy, Zentralbanken-Campaignerin bei Reclaim Finance, sagt: „Die EZB hat zwar erklärt, dass sie ihre Geschäfte klimafreundlicher gestalten will, in Wirklichkeit unterstützt sie aber weiterhin einige der umweltschädlichsten Energieunternehmen in Europa. Während Schritte der EZB für mehr Klimaschutz auf sich warten lassen, steigt der Meeresspiegel weiter an und Menschen in der ganzen Welt spüren die Auswirkungen der Klimakrise. Die EZB muss ihren Beitrag für den Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft leisten und ihre Unterstützung für Kohle sowie für Öl- und Gasexpansion einstellen.“

Vor kurzem warnte Günther Thallinger, Vorstandsmitglied des Versicherers Allianz, dass bei einer Erderwärmung von 3 Grad „das Finanzsystem, wie wir es kennen, nicht mehr funktionieren wird“ und forderte sofortige Gegenmaßnahmen.[4]

Fiona Hauke, Expertin für Finanzregulierung bei urgewald, sagt: „Die Entscheidungsträger*innen der Finanzindustrie spüren die grundlegende Bedrohung der Klimakrise in ihrem Leben und in ihrem Geschäft. Günther Thallingers Analyse ist auch ein Aufruf zum Handeln für die Finanzaufsicht und Zentralbanken. Die EZB sollte genau hinhören und Klimaschutz in ihr Garantiesystem aufnehmen.“

Reclaim Finance und urgewald fordern die EZB und die nationalen Zentralbanken nachdrücklich auf, die laufende Überprüfung der Geldpolitik für mehr Klimaschutz zu nutzen: Künftig dürfen keine Vermögenswerte mehr aus umwelt- und klimaschädlichen Geschäften als Sicherheiten akzeptiert werden. Unternehmen, die die Exploration und Förderung von Öl und Gas ausweiten oder weiterhin auf Kohle setzen, müssen ausgeschlossen werden.

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[1] Weitere Informationen zum EZB-Garantiesystem und wie es Unternehmen aus fossilen Sektoren begünstigt, finden sich in folgendem Artikel von Reclaim Finance (Januar 2024): https://reclaimfinance.org/site/en/2024/01/12/greening-the-eurosystem-collateral-framework/ 

[2] Für die vorliegende Recherche haben Reclaim Finance und urgewald drei Arten von Vermögenswerten untersucht: Unternehmensanleihen, Geldmarktinstrumente und mittelfristige Schuldverschreibungen. In die Analyse eingeflossen sind Vermögenswerte fossiler Unternehmen, die sich der nötigen Abkehr von fossilen Brennstoffen verweigern, weil sie entweder weiterhin an Kohlegeschäften festhalten oder Pläne für die Ausweitung ihrer Öl- und Gasförderung bzw. -exploration haben. Die im März 2025 zulässigen Vermögenswerte wurden mit der Liste der zulässigen Vermögenswerte von Juli 2024 verglichen.

[3] J. Mésonnier et al., The Interest of Being Eligible (August 2021): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jmcb.12851

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