Als erste große konventionelle Bank in Deutschland bekennt sich die Commerzbank nicht nur zum Ende der Kohleenergie bis 2030, sondern legt auch die ersten ernsthafteren Ausschlusskriterien für Öl & Gas vor. Dies ist auch als Erfolg zivilgesellschaftlichen Engagements zu werten. Dennoch vergibt die Commerzbank die Chance, ihr Portfolio jetzt konsequent auf einen 1,5 °C-Kurs zu bringen.
Kathrin Petz, Klima-Campaignerin von urgewald: „Die Details der Richtlinie offenbaren neben Licht auch Schatten. Insgesamt hätten wir die Commerzbank für deutlich ambitionierter gehalten. So nachhaltig wie sie sich präsentiert, ist die Bank noch lange nicht. Konkret werden die Bestandskunden zu sehr geschont. Im Kohlebereich kommt der gute Schwellenwert von 20% für sie zu spät und ‚Kohleausstiegspläne 2030‘ müssten eigentlich schon längst von allen existierenden Kohlekunden formuliert worden sein. Bestehende Öl- und Gaskunden werden komplett verschont und müssen überhaupt keine Transformationspläne vorlegen. Am schwersten wiegt jedoch, dass alle Bestandskunden noch weitere vier Jahre ihre fossilen Geschäfte ausbauen können! Dies steht klar im Widerspruch zum Pariser Klimaabkommen, da nach Angaben von dem Weltklimarat IPCC, der UN und Internationalen Energieagentur jetzt keine fossile Expansion mehr stattfinden darf, wenn wir das 1,5 °C Ziel halten wollen.“
Sie fügt hinzu: „Wir hoffen dennoch, dass die neue Commerzbank-Richtlinie für die anderen konventionellen Banken in Deutschland, speziell die Deutsche Bank und die Sparkassen, ein Weckruf ist. Die hiesige Bankenbranche ist beim Thema fossile Energien noch fahrlässig langsam."
urgewald Analyse zur Kohle-Detaillierung der Richtlinie:
- urgewald begrüßt, dass im Vergleich zur auslaufenden Richtlinie nun die gesamte Kohle-Wertschöpfungskette betrachtet wird und dass hierfür die Global Coal Exit List (GCEL) genutzt wird; ebenfalls zu begrüßen ist, dass die Schwellenwerte nun einheitlich für In- und Ausland gelten.
- urgewald bemängelt, dass der von der Commerzbank gesetzte Schwellenwert von 20% und ein Ende der Geschäftsbeziehungen für Bestandskunden erst nach bzw. Ende 2025 greifen. Potentielle Neukunden, die unter diese Kriterien fallen, werden zwar ab sofort ausgeschlossen, aber Bestandskunden erhalten ganze vier Jahre Schonfrist.
- urgewald kritisiert besonders, dass Bestandskunden während dieser Schonfrist weiterhin ihre Kohlekraftwerke und -minen expandieren können. Dies steht klar im Widerspruch zum Pariser Klimaabkommen, da nach Angaben von dem Weltklimarat IPCC, der UN und der Internationalen Energieagentur (IEA) ab sofort keine fossile Expansion mehr stattfinden darf, wenn wir das 1,5 °C Ziel halten wollen.
- urgewald begrüßt, dass sich die Bank grundsätzlich zum Kohleausstieg 2030 bekennt, der von Wissenschaft und Zivilgesellschaft gefordert wird. Um rechtzeitig „Coal-Zero“ bis 2030 zu erreichen, reicht die bisherige Richtlinie aber noch nicht.
- urgewald begrüßt, dass die Reglementierung der Projektfinanzierung grundsätzlich nun um Minen und Infrastrukturprojekte erweitert wurde. Bedenklich ist allerdings, dass Projektfinanzierungen für „notwendige Modernisierungen von bestehenden Kohlekraftwerken“ weiterhin "nach Einzelfallprüfung" möglich sind. Hier obliegt es dem internen Prüfungsprozess, ob z.B. eine Umrüstung auf aus Sicht von NGOs problematische Biomasse finanziert wird.
- urgewald fordert daher eine Nachbesserung der Richtlinie: Alle Kunden der Commerzbank mit jeglichem Anteil von Kohlegeschäften dürfen ab sofort nicht weiter in diesem Bereich expandieren und Bestandskunden sollten spätestens in einem Jahr einen „Kohleausstiegsplan 2030“ vorlegen müssen.
- Abschießend bleibt die große Frage, wie die Transformationsbegleitung der Commerzbank nun genau stattfindet. Transparenz dazu, wie viele Unternehmen einen Kohleausstiegsplan vorlegen müssen, bis wann dies erfolgt ist und wie die Commerzbank die Firmen hierbei begleitet, wäre geboten. Zudem: Wie muss ein Transformationsplan bis 2030 aussehen, damit die Commerzbank auch in 2026 an Kunden oberhalb der 20% Schwelle festhält? Zuletzt stellt sich die Frage, ab wann jeder Kunde der Commerzbank komplett kohlefrei sein muss.
urgewald-Analyse zur Öl & Gas-Detaillierung der Richtlinie:
- urgewald begrüßt, dass die Commerzbank die erste deutsche Bank ist, die die Global Oil & Gas Exit List offiziell zur Beurteilung nutzen wird.
- urgewald kritisiert, dass die Richtlinie nur auf neue Geschäftsbeziehungen, sprich Neukunden, angewandt wird. Für Geschäftsbeziehungen mit Bestandskunden gibt es keine Vorgaben jenseits einer „regelmäßigen Prüfung auf Umwelt- und Sozialaspekte“, was theoretisch zu einer Beendigung der Geschäftsbeziehung führen kann. Hier muss die Commerzbank unbedingt nachbessern, um der klimaschutztechnisch gebotenen Transformation der Öl- und Gasindustrie gerecht zu werden. Firmen, die neue Öl- und Gasfelder erschließen oder Pipelines und LNG- Terminals bauen, dürfen nicht uneingeschränkt finanzierbar bleiben. Ein Blick auf die Global Oil & Gas Exit Liste von urgewald zeigt, dass praktisch alle Öl- und Gasfirmen neue Projekte durchführen oder geplant haben. Wenn die Commerzbank nachhaltig werden will, muss sie hier Schwellenwerte einführen und sich auch von ihren bestehenden Öl- und Gaskunden einen Öl- und Gasausstiegsplan vorlegen lassen.
- urgewald begrüßt, dass Projektfinanzierung für die Erschließung neuer Gas- und Ölquellen, aber auch neuer Ölkraftwerke nun von der Commerzbank ausgeschlossen werden. urgewald kritisiert allerdings, dass neue Gaskraftwerke und sogar Dual-Fuel Plants sowie Pipelines und LNG-Infrastruktur weiter im Rahmen von Projektfinanzierung, nach Einzelfallprüfung, möglich sind.
- urgewald fordert eine Nachbesserung der Richtlinie: Alle bestehenden Öl- und Gaskunden der Commerzbank müssen ihre Expansion sofort limitieren und schnellstmöglich beenden. Ein Transformationsplan für einen kompletten fossilen Exit muss eingefordert werden.
Grundsätzliches Problem: Tochterunternehmen von Richtlinie nicht erfasst
Ein grundsätzliches Manko der Richtlinie bleibt, dass sie bei den Tochterunternehmen der Commerzbank keine Anwendung findet. Die polnische Tochter MBank will Kohlefirmen so lange weiter finanzieren, wie es der Staat es erlaubt. In Polen ist noch kein konkreter Kohleausstieg in Sicht.
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Anmerkungen:
Die Commerzbank Richtlinie im Detail:
https://www.commerzbank.de/de/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsstandards/positionen_und_richtlinien/positionen_und_richtlinien.html
Finanzierungen von GCEL Firmen durch die Commerzbank 10/2018-10/2020, urgewald: https://coalexit.org/investments-bank-ct?name=Commerzbank
Über die Global Coal Exit List (GCEL) und Global Oil & Gas Exit List (GOGEL) von urgewald:
Die Global Coal Exit List (GCEL) wurde erstmals im November 2017 veröffentlicht und wird jeden Herbst aktualisiert. Sie umfasst die größten Kohlekraftwerksbetreiber (größer oder gleich 5 GW installierte Kapazität) und die größten Kohleproduzenten (größer oder gleich 10 Mio. Tonnen pro Jahr). Zudem finden sich auf der GCEL Unternehmen, die mehr als 20% ihrer Stromerzeugung oder ihrer Umsätze aus Kohle generieren, sowie Unternehmen, die im Bereich Kohlebergbau, Kohlekraftwerke oder Kohleinfrastruktur planen zu expandieren. Investoren, die über 16 Billionen US-Dollar an Vermögen repräsentieren, verwenden derzeit eines oder mehrere der drei Divestment-Kriterien der GCEL, um Kohleunternehmen aus ihren Portfolios auszuschließen.
Die Global Oil and Gas Exit List (GOGEL) ist die weltweit erste öffentliche, umfangreiche Datenbank zu Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie. GOGEL umfasst derzeit 887 Unternehmen und bildet damit knapp 95% der weltweiten Öl- und Gasproduktion ab. Nutzer*innen der Datenbank, insbesondere aus der Finanzindustrie, können mit GOGEL die Öl- und Gasfirmen mit den größten Expansionsplänen sowie mit den umstrittensten Formen der Öl- und Gasförderung leicht identifizieren. Erste offizielle Nutzerin der GOGEL war die französische La Banque Postale, die elftgrößte Bank in der Eurozone. Im Oktober 2021 kündigte sie an, ihre Finanzdienstleistungen für alle Unternehmen, die am Ausbau der Öl- und Gasindustrie beteiligt sind, einzustellen und sich bis 2030 aus der gesamten Branche zurückzuziehen.