Klima-Transparenzklage gegen Bundesregierung wegen Börsengeschäften im Öl- und Gassektor

Pressemitteilung
Berlin 21.11.2023

Pressemitteilung urgewald & Fossil Free Berlin

Eine Klima-Transparenzklage gegen die Bundesregierung wurde heute beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Kläger ist der Arzt Dr. Michael Schreinert, der sich in der Klimainitiative Fossil Free engagiert und auch von der Umwelt- und Menschen-rechtsorganisation urgewald unterstützt wird. Ziel der Klage ist es, Transparenz darüber zu erhalten, welche Gas- und Ölkonzerne von Kapitalanlagen des Bundes profitieren und welche Klimaschäden der Staat dadurch mitfinanziert. Es geht um Investitionen des Bundesinnenministeriums (BMI) in Aktien in Höhe von 10,8 Milliarden Euro[1].

Das BMI stellte 2021 sein Aktiendepot vollständig um und versprach öffentlich, damit nun einen „wichtigen Beitrag zum Klimaschutz“ zu leisten[2]. Jedoch deckten Recherchen von SZ und NDR im Jahr 2022 „überraschend dreckige“ [3] und „klimaschädliche“ [4] Investitionen in Aktien von Exxon Mobil und weiteren Gas- und Ölkonzernen im Besitz des BMI auf. Als Reaktion gab das Ministerium im Frühjahr 2023 bekannt, es habe seine Beteiligung an Exxon verkauft [5], kommentierte andere Beteiligungen aber nicht.

Zur Motivation der Klage erklärt Schreinert:
„Unklar bleibt, ob das BMI die Aktien anderer Ölkonzerne behalten hat und weiter Geld in die klimaschädliche Fossilindustrie fließen lässt. Das Ministerium verspielt Vertrauen, solange es Klimaschutz nur behauptet und nicht beweist. Wenn das BMI aus seinem letzten Aktienskandal gelernt hat, gibt es keinen Grund mehr für Heimlichtuerei. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Transparenz.”

Umstrittene Gas- und Ölkonzerne profitieren von deutschen Aktiengeldern

Die Medienberichte deckten finanzielle Verbindungen zu insgesamt acht Konzernen der Fossilindustrie auf [3]. Dazu zählt der Konzern TotalEnergies aus Frankreich, der für die weltweite Ausweitung seiner Gas- und Ölproduktion stark in der Kritik steht, etwa für die geplante Erdölpipeline EACOP in Ostafrika. Von den Investitionen des BMI profitiert auch Enbridge als größter Betreiber von Pipelines in Nordamerika.

Anna Lena Samborski, Finanz-Campaignerin bei urgewald, kommentiert:
Die Klimawissenschaft und die Internationale Energieagentur machen es glasklar: Wollen wir eine Chance für die Einhaltung der weltweiten Klimaziele behalten, dürfen keine neuen fossilen Ressourcen mehr erschlossen werden. Jede neue Bohrinsel und jede neue Pipeline sind CO2-Bomben, die die physikalischen Grenzen unseres Planeten sprengen. Wenn der Bund auf Dividenden von Gas- und Ölkonzernen spekuliert, ist das eine klimapolitische Bankrotterklärung.”

Der Bundestag und ein Staatssekretär erkennen das Problem an

34 Abgeordnete des Bundestages, darunter 21 Politiker*innen der SPD-Bundestagsfraktion sowie die Finanzexpertin der Grünen, Katharina Beck, sprechen sich inzwischen für den Verkauf klimaschädlicher Geldanlagen aus [6]. Auch Johann Saathoff, Parlamentarischer Staatssekretär im BMI, kündigte an, sich für die ‚fossilfreie Geldanlage‘ einsetzen zu wollen [7].

Mathias von Gemmingen von Fossil Free kommentiert:
„Wir erwarten von den Verantwortlichen, dass sie alle öffentlichen Gelder sofort aus der Fossilindustrie abziehen und per Gesetz in Zukunft ausschließen. Kohle-, Gas- und Ölkonzerne sind Klimazerstörer, keine Geldanlage.“

Kontakte:           

Mathias von Gemmingen, Fossil Free
0173 8660024, fossilfreeberlin@riseup.net, https://fossilfreeberlin.org

Moritz Schröder-Therre, Pressesprecher urgewald
0152 21579977,
moritz@urgewald.org, https://urgewald.org

Quellen:

[1] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom 13.09.2021:

https://dserver.bundestag.de/btd/19/324/1932452.pdf

[2] Pressemitteilung des BMI zur Umschichtung seines Depots vom 05.05.2021:

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/05/pensionsfonds.html

[3] Süddeutsche Zeitung vom 13.03.2022:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/oel-gas-bund-anlagen-1.5546763
[4] Tagesschau / NDR vom 21.07.2022:

https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/pensionsfond-bund-investitionen-kohle-oel-gas-101.html
[5] Tagesschau / SWR „KlimaZeit“ vom 31.03.2023:

 https://www.youtube.com/watch?t=1065&v=d5piFKtra3A&feature=youtu.be
[6] Persönliche Unterzeichnung von Abgeordneten des Bundestages für das Positionspapier „Berliner Konsens für Klimastabilität und Rücklagen des Bundes“:

https://fossilfreeberlin.wordpress.com/berliner-konsens
[7] Quelle: Schriftliche Korrespondenz von Saathoff mit Fossil Free Berlin im Oktober 2023

Über Fossil Free Berlin:

Klimaschützer*innen gründeten die Berliner Sektion des Fossil-Free-Netzwerks im Jahr 2014 als überparteiliche, nicht-kommerzielle und 100% ehrenamtliche Initiative. 2016 erzielten sie ihren ersten großen Erfolg: Als Reaktion auf öffentlichen Druck beschloss das Parlament des Landes Berlin, 823 Mio. Euro Versorgungsrücklagen aus Unternehmen abzuziehen, die mit fossilen Brennstoffen, Atomkraft und Kriegswaffen Geschäfte machen. Fossil Free ist Teil der internationalen Divestment-Bewegung, die von der Klimaschutzorganisation 350.org initiiert wurde. Weltweit konnten bis heute über 1.500 Großanleger von Divestment überzeugt werden. Sie setzen sich für eine Abkehr von der fossilen Brennstoffindustrie und faire, erneuerbare Alternativen ein. https://fossilfreeberlin.org | https://divestmentdatabase.org

Über urgewald:

Die deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald setzt sich für hohe Umwelt- und Sozialstandards in der Finanzindustrie ein. Sie wurde 1992 gegründet, um die Aktivitäten europäischer Banken und Unternehmen im Ausland zu beobachten und hierdurch negativ betroffenen Gemeinschaften Gehör zu verschaffen. Der besondere Ansatz von urgewald ist die Kombination von tiefgehenden Recherchen, Medienarbeit und öffentlichen Kampagnen. urgewald hat über 30 Jahre Erfahrung in der Arbeit zum Finanz- und Energiesektor.

 

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Moritz Schröder-Therre

    Moritz Schröder-Therre
    Pressesprecher
    moritz [at] urgewald.org
    +49 152 21579977

    Bild Anprechpartner   Anna Lena Samborski

    Anna Lena Samborski
    Kampagnen zu deutschen Finanzinstituten
    anna_lena.samborski [at] urgewald.org
    +49 (0)30 863 2922-23

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