Fondsindustrie: Jeder fünfte Euro fließt immer noch in (klima-)schädliche Geschäftsmodelle
Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen Facing Finance und urgewald haben ein weiteres Update des frei zugänglichen Verbraucherportals Faire Fonds (www.faire-fonds.info) veröffentlicht. Dieses ermöglicht Nachhaltigkeitschecks von Investmentfonds.
Das Portal analysiert mittlerweile die Beteiligungen von insgesamt 2.580 in Deutschland zugelassenen Publikumsfonds an 1.108 ausgewählten, konfliktbehafteten Unternehmen. Untersucht werden unter anderem die Eigen- und Fremdfonds der vier größten deutschen Fondsgesellschaften: Allianz Global Investors, Deka, DWS und Union Investment. 738 der analysierten Fonds sind ETF-Produkte.
Mehr als die Hälfte (1.444) der von Faire Fonds untersuchten Fonds werden von der Datenbank „Lipper for Investment Management“ (Refinitiv) als „Nachhaltigkeits-Fonds“ gelabelt (im Folgenden: „ESG-Fonds“). Als „Artikel 8“- oder als „Artikel 9“- Fonds nach der EU-Verordnung 2019/2088 werden 1.160 bzw. 284 Fonds geführt.
Eine Recherche auf Basis des neuen Updates von Faire Fonds zeigt:
Zum Zeitpunkt der Analyse (Rechercheschluss: 14.10.2022) verwalteten die 2.580 untersuchten Fonds insgesamt mehr als 2,2 Billionen Euro . Hiervon war nach Faire Fonds-Methodik rund ein Fünftel (405 Milliarden Euro) in Aktien und Anleihen von konfliktbehafteten Unternehmen investiert – sprich rund jeder fünfte investierte Euro. So waren beispielsweise 33 Milliarden Euro in Kohleunternehmen und 91 Milliarden Euro in Öl- und Gasunternehmen investiert. Fossile Energien sind die Haupttreiber des Klimawandels. Die Kohle- sowie Öl- und Gasindustrie gefährdet mit teils massiven Expansionsplänen das Einhalten des 1,5-Gradlimits.
Thomas Küchenmeister, Geschäftsführer des Vereins Facing Finance, der das Verbraucherportal Faire Fonds 2019 gestartet hatte: „Faire Fonds analysiert mittlerweile den Großteil der in Deutschland vertriebenen, namhaften Publikumsfonds. Nahezu alle sind in Unternehmen investiert, die ökologische, ethische und/oder soziale Normen und Standards missachten. Für nachhaltig orientierte Investor*innen heißt es also: genau hinschauen und sich insbesondere nicht vom Greenwashing der Fondsanbieter täuschen lassen.“ Er ergänzt: „Selbst der große Skandal der DWS vor sechs Monaten hat bislang noch nicht zu einem erkennbaren Umdenken der Fondsgesellschaft geführt. Ähnliches müssen wir allerdings quasi der gesamten Branche attestieren. Sie verschanzt sich hinter einer Mauer der bewussten Intransparenz und Komplexität, gekoppelt mit grünem Marketingversprechen. Mit stets demselben Finger wird in Richtung Politik und Regulation gezeigt, auf Zeit gespielt, anstatt sich jetzt um Klarheit und Ehrlichkeit gegenüber Verbraucher*innen und Konsequenz im eigenen Handeln zu bemühen.“
„Unsere Recherche macht insbesondere erneut deutlich: Die fossilen Richtlinien der Fondsanbieter hinken der Klimawissenschaft hinterher bzw. widersprechen ihr“, erklärt Julia Dubslaff, Kampaignerin von urgewald. „Die aktuellen, in der Regel nur partiellen Ausschlüsse zu Kohle sind angesichts der jetzt schon erreichten Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur um 1,1°C vollkommen unzureichend. Hinzu kommt, dass selbst rudimentäre Richtlinien zu Öl und Gas noch weitgehend fehlen, was sich dann sogar auch bei ESG-Fonds deutlich zeigt.“ Sie ergänzt: „Die gerade erst stattgefundene Weltklimakonferenz in Ägypten hat die Macht der fossilen Lobby erneut gezeigt - und die Finanzindustrie inklusive Fondsbranche ist mit von der Partie, pflegt aber gleichzeitig das grüne Image. Fossile Expansionisten dürften heute in keinem konventionellen, geschweige denn ESG-Fonds mehr zu finden sein. Profite aus diesen Investitionen gehen zu Lasten einer lebenswerten Zukunft auf dieser Welt. Dessen müssen sich Verbraucher*innen bewusst sein.“
Disclaimer
Grundsätzlich werden im Rahmen des Verbraucher-Portals faire-fonds.info keine Empfehlungen für oder gegen bestimmte Investmentfonds abgegeben. Die Nutzer*innen der Plattform sind aufgerufen, bitte sorgfältig die ökonomischen Vor- und Nachteile abzuwägen, bevor sie ihr Geld in Investmentfonds anlegen, insbesondere in Bezug auf Risiken und die Kosten. Nutzer*innen sollten sich grundsätzlich von Anbietern über die nachhaltige Ausrichtung der Investmentfonds informieren lassen und beachten, dass sich die Zusammensetzung der einzelnen Investmentfonds von Zeit zu Zeit ändern kann. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass eine Belastung von 0% nicht unbedingt bedeutet, dass der entsprechende Fonds aus nachhaltiger Perspektive wirklich unbelastet ist. Im Portfolio werden nur die 1.108 Unternehmen gekennzeichnet, die unsere derzeitigen Quellen abdecken. Es gibt darüber hinaus natürlich noch weitere, kritische Unternehmen.
Kontakt
Stefanie Jellestad | Pressesprecherin, urgewald
+49 (0)30 8632 922-60, stefanie.jellestad@urgewald.org
Thomas Küchenmeister | Geschäftsführender Vorstand, Facing Finance
+49 (0)175 4964082, kuechenmeister@facing-finance.org