Anlässlich der morgigen Hauptversammlung der EnBW kritisiert urgewald gemeinsam mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre sowie ukrainischen Umweltorganisationen, dass Deutschlands drittgrößter Energieversorger auch zweieinhalb Monate nach Beginn des verheerenden Angriffskrieges gegen die Ukraine weiterhin zu den größten Kunden Russlands gehört.
Wie stark sich der Karlsruher Konzern von Russland abhängig gemacht hat, zeigen die Zahlen aus dem aktuellen Geschäftsbericht: Mit 3,57 Millionen Tonnen von insgesamt 4,19 Millionen Tonnen stammten 2021 rund 85 Prozent der importierten Steinkohle aus Russland. Geschätzt mindestens 50 Prozent der importierten 495 TWh fossilen Gases stammten ebenfalls von dort. (1)
Diese Abhängigkeit führt dazu, dass die EnBW – trotz systematischer Kriegsverbrechen und tausenden Toten durch die russische Aggression – weiterhin die Gas- und Kohlebezüge aus Russland aufrechterhält. Gerechtfertigt wird dies mit der „besonderen Verantwortung für die sichere Versorgung mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser in unserem Land“, wie die EnBW in einem Schriftwechsel mit urgewald und einer Koalition ukrainischer Umweltorganisationen mitteilte.
Dazu kommentiert Sebastian Rötters, Energie-Kampaigner bei urgewald: „Es stellt sich die Frage, wieso diese ‚sichere Versorgung‘ als Argument ausreicht, um schlimmste Kriegsverbrecher weiter zu finanzieren. In all den Jahren der Warnungen bezüglich Russland wurde nicht weiter als bis zur nächsten Kohle- oder Gaslieferung bei EnBW gedacht. Offensichtlich wurden völlig krisenblind und ohne jede Vorausschau Abhängigkeiten geschaffen und aufrechterhalten, weil man den billigen russischen Gas- und Kohlepreisen nicht widerstehen konnte. Dadurch hat die EnBW nicht nur mitgeholfen, die Ukraine ans Messer zu liefern, sondern sich auch selbst in eine Situation gebracht, in der die Versorgungssicherheit nach eigenen Angaben zu einem guten Teil von Putins Gnade abhängt. Wer übernimmt für die menschenrechtliche Bankrotterklärung und das katastrophale Lieferketten-Management der EnBW eigentlich die Verantwortung?“
Dazu kommt, dass die EnBW aus diesen Fehlern nicht zu lernen scheint. Denn die russischen Kohlelieferungen sollen nun durch Lieferungen aus anderen Problemregionen ersetzt werden, beispielsweise aus Kolumbien und Südafrika. Beim Gas sieht es durch den verstärkten Import von LNG vermutlich aus Umwelt- und Menschenrechtsperspektive nicht besser aus, jedoch macht die EnBW bisher keine konkreteren Angaben zu möglichen Lieferanten. Die EnBW hält trotz der aktuellen Situation weiterhin an den Plänen fest, Kohlekraftwerke zu Gaskraftwerken umzurüsten. (2)
Rötters: „Geradezu obszön ist die Weigerung der EnBW und der Landesregierung, mit den ukrainischen Umweltorganisationen EcoAction, Ecoclub und Ekoltava zu sprechen. Diese dokumentieren unter widrigsten Bedingungen die Umweltzerstörungen durch den russischen Vernichtungskrieg sowie die Gefahren durch die Überfälle auf ukrainische AKW.“ Die Umweltorganisationen haben EnBW und die Landesregierung von Baden-Württemberg wiederholt um einen Gesprächstermin gebeten.
„Es ist sehr enttäuschend, dass EnBW-Vertreter und auch die Landesregierung von Baden-Württemberg beschlossen haben, nicht mit uns sprechen zu wollen, obwohl andere Unternehmen und Vertreter der Bundesregierung dies bereits getan haben. Dies verdeutlicht nur die Heuchelei und die Angst, ihr fortgesetztes Engagement mit Russland verteidigen zu müssen. Auch mit dem Geld der EnBW wird der Krieg gegen mein Land finanziert. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass sie weiter Zahlungen an den Aggressor leisten, der in unserem Land tausende Männer, Frauen und Kinder ermordet, ganze Städte dem Erdboden gleichmacht und unsere Identität und Kultur vernichten will“, so Nataliya Lushnikova, Energie-Expertin der ukrainischen Umweltorganisation Ecoclub Rivne.
Den Gegenantrag und vollständigen Fragenkatalog von urgewald und dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre finden Sie hier: https://www.kritischeaktionaere.de/category/enbw/
Anmerkungen
(1) https://www.enbw.com/unternehmen/investoren/veranstaltungen/veroeffentlichung-zahlen/archiv/ UND
https://defuel-russias-war.org/stop-dirty-gas-oil/
Im Jahr 2021 importierte EnBW rund 495 TWh Erdgas, davon 20 Prozent von Gazprom. Die Hälfte des Gases, das die EnBW über Gashubs für das Geschäft in Deutschland bezieht, kommt ebenfalls aus Russland.
(2) https://www.enbw.com/unternehmen/investoren/veranstaltungen/hauptversammlung/ (Rede, EnBW-Vorstand)
Kontakt
Sebastian Rötters | Energie-Kampaigner, urgewald
+49 163 4772 758, sebastian@urgewald.org
Nataliya Lushnikova | Energie-Expertin und Kampaignerin, Ecoclub Rivne
+380 67 778 5710, lushnikova@ecoclubrivne.org
Tilman Massa | Referent, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
+49 (0)221599 56 47, tilman.massa@kritischeaktionaere.de
Stefanie Jellestad | Pressesprecherin, urgewald
+49 (0)30 863 29 2260, stefanie.jellestad@urgewald.org