Heute veröffentlichte die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald zusammen mit 14 NGO-Partnern ein umfangreiches Update der AIIB-Watch. Dabei werden die Projekte der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (kurz: AIIB) auf Menschenrechtsverletzungen, Zwangsumsiedlung und Umweltzerstörung untersucht. Eine interaktive Karte listet insgesamt 24 Fälle auf, in denen die AIIB wesentliche Schutzstandards nicht einhält.
„Das Geschäftsmodell der AIIB ist die Investition in große Infrastrukturmaßnahmen. Dazu gehören Kraftwerke und Anlagen für Erdgas, die den Ausstoß von Treibhausgasen über Jahrzehnte hinweg bestimmen, große Staudämme, Bergbauprojekte“, sagt Dr. Nora Sausmikat, Leiterin der AIIB-Kampagne bei urgewald. „Diese Maßnahmen sind mit schwerwiegenden Umwelt- und Sozialrisiken verknüpft. Eine Bank, die sich auf solche risikobehafteten Mega-Infrastrukturprojekte spezialisiert hat, braucht strenge soziale und ökologische Schutzvorkehrungen. Manche europäischen Anteilseigner, wie Deutschland, haben es sich beim Beitritt zur Pflicht gemacht, sich für die besten Standards in der Bank einzusetzen, die mindestens denen der Weltbank entsprechen. Sieben Jahre später sind wir immer noch weit davon entfernt.“
Was ist neu im Relaunch?
Die AIIB-Watch erschien erstmals 2021. Im neuesten Update wurden alle Informationen überarbeitet und aktualisiert und neue Fallstudien hinzugefügt, wie z.B. ein im Schnellverfahren Ende 2022 genehmigte Gaskraftwerk in Bangladesch[1], ein Mikrokredit-Projektin Kambodscha[2], ein Gaskraftwerk in Usbekistan[3] oder das Greater Malé Waste-to-Energy Project auf den Malediven. Ein besonderer Fokus der neu hinzugefügten Projekte liegt auf (Zwangs-)Umsiedlung.
Das neue Farbschema der interaktiven Karte unterscheidet zwischen genehmigten und eingereichten Projekten. Jede Projektbeschreibung beinhaltet grafisch aufbereitete Schlüsseldaten der Projekte, wie z.B. einen Zeitstrahl der Projektentwicklung, das Ausmaß der Zwangsumsiedlung und detaillierte Informationen über die betroffenen Schutzrichtlinien.
Methodik und Verwendung von AIIB-Watch
Der Projektüberblick beruht auf Informationen von der AIIB-Homepage. Der Fallanalyse werden immer die jeweils gültigen Standards zugrundegelegt. Die ersten Umwelt- und Sozialstandards, die die AIIB 2016 verabschiedete, wurden im Februar 2019 und erneut im Mai 2021 überarbeitet. Vorgesehen war, sie nach drei Jahren auf der Grundlage praktischer Erfahrungen neu zu bewerten und anzupassen.
Dennoch bleiben auch nach Überarbeitung viele praktische Erfahrungen außen vor. Urgewald hat die jüngste Überarbeitung und ihre weiterhin offenen Schlupflöchter hier kritisch eingeordnet und bewertet. Die aktuellen Standards traten im Oktober 2021 in Kraft. Die Hauptkritikpunkte zu einzelnen fossilen Projekten wurden zur letzten Jahrentagung im Herbst 2022 von urgewald und Partnern hier kritisch bewertet. Diese Projekte finden sich auch auf der AIIB-Watch Karte.
Hintergrund AIIB-Watch
Das gesamte Projekt wird von urgewald koordiniert und basiert auf gemeinschaftlicher Arbeit. Viele der Zusammenfassungen beruhen auf Fallstudien, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Asien, Europa und Nordamerika durchgeführt wurden und deren Originalquellen verlinkt sind. Der Fortgang von Beschwerden oder Verbesserungen/ Verschlechterungen im Umfeld der dokumentierten Projekte werden regelmäßig von NGOs vor Ort überprüft und dokumentiert. Die Forschung der Partnerorganisationen findet oft unter hohen Risiken statt. Die Sicherheitslage ist so brisant, dass wir nicht alle Fälle oder Details zu einzelnen Fällen darstellen können, ohne die Gemeinden vor Ort zu gefährden. Daher müssen einige untersuchte Fälle unerwähnt bleiben.
Hintergrund AIIB: Eine multilaterale Bank mit China an der Spitze
Die von China initiierte Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) nahm ihre Tätigkeit 2016 auf und entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Akteur in der globalen Finanzwelt. Seither wurden über 200 Projekte im Wert von fast 39 Milliarden USD genehmigt. Seit ihrer Gründung hat sich die Zahl der Mitglieder der Bank auf 106 Länder fast verdoppelt, die fast alle Kontinente abdecken. Damit ist sie die zweitgrößte multilaterale Entwicklungsbank (MDB) nach Mitgliedern.
Deutschland ist viertgrößter Anteilseigner und besitzt einen Stimmenanteil von 4,2 Prozent, nach China (26,6 Prozent), Indien (7,6 Prozent) und Russland (6 Prozent). Alle europäischen Anteilseigner haben zusammen einen Stimmenanteil von 22 Prozent – durchaus eine Entscheidungsmacht. Bei der Gründung der AIIB stellte Deutschland 900 Millionen USD Steuergelder als Einzahlung und 3,6 Milliarden USD als Garantien zur Verfügung. Die Teilnahme der größeren Volkswirtschaften Europas war entscheidend dafür, dass die von Peking dominierte AIIB internationale Glaubwürdigkeit auf den Kapitalmärkten gewann und globale Rating-Agenturen ihr eine Triple-A-Bonitätsbewertung gaben. Deutschland begründete die Teilhabe an der Bank mit dem Argument, dann für die Einhaltung besonders hoher Standards sorgen zu können. Wie die AIIB-Watch zeigt, sind die Standards bezüglich ihre Abfederung von Umwelt- und Sozialrisiken bei weitem nicht ausreichend. Es ist Zeit, dass die Anteilseigner*innen ihr Stimmgewicht nutzen, um dies zu ändern.
[1] Unique Meghnaghat IPP Projekt
[2] PASAC Covid-19 Response Facility Projekt
[3] Surkhandarya 1.560MW CCGT