Am 20. April war es soweit: Erstmalig konnte ich meine Bedenken den Menschen vortragen die direkt die Energiewende gestalten könnten bzw. momentan blockieren: Den Aktionären und den Vorständen der Energiekonzerne und Banken. Zuvor habe ich auf der Straße oder Schiene meine Meinung kund getan und mich bemüht die Bevölkerung von ihrer Möglichkeit die Energiewende voranzutreiben zu überzeugen. Demonstrieren in jeder Form halte ich für sinnvoll und bin darum auch gerne bereit diesen ungewöhnlichen Weg über die Hauptversammlung zu gehen. Die Idee dazu kam durch mein Praktikum bei urgewald. Seit Jahren vertritt die Organisation die Interessen von Menschen und Umwelt die durch die Machenschaften von Energiekonzernen und Banken geschädigt werden.
Stimmrecht, und damit die Erlaubnis sich auf den Versammlungen zu Wort zu melden, bekommen die Mitarbeiterinnen von urgewald und ihre Gäste über die kritischen Aktionäre. Der Dachverband der kritischen Aktionäre hat über Stimmrechtsübertragungen von Einzelpersonen die Möglichkeit an verschiedenen Hauptversammlungen teilzunehmen. Bei diversen Konzernen erscheint es ihnen notwendig die entsprechende Geschäftspolitik zu kritisieren, genaue Nachfragen nach Sinn und Zweck der gegenwärtigen Praxis zu stellen und zu erläutern wie das jeweilige Unternehmen alternativ handeln könnte. Ihre Mitglieder, wie urgewald, unterstützen den Verband z.B. durch die Teilnahme an den Aktionärsversammlungen.
RWE: VoRWEg gehen?
Hintergrund: RWE betreibt fünf Atomkraftwerke in Deutschland. Als einziger AKW-Betreiber klagte RWE gegen das Atom-Moratorium der Bundesregierung. RWE gilt auch als „dreckigster“ Energieversorger, da er die meisten Braunkohlekraftwerke betreibt und somit eine schlechte CO2 Bilanz hat. Außerdem betonte der Vorstandsvorsitzende Großmann, dass fossile Energien zukunftsweisend sein. Entsprechend liegt der Anteil an erneuerbaren Energien bei der Energieversorgung von RWE lediglich bei 4% und wird, laut Aussage des Vorstands auf der diesjährigen HV, prozentual auch nicht bedeutend ansteigen.
Am 20. April wurde die urgewald - Hauptversammlungssaison 2011 mit RWE eröffnet. Dieses Mal wurde zuvor angekündigt, dass viele Menschen vor dem Eingang demonstrieren und blockieren würden. Somit entschieden wir, uns auf die Arbeit drinnen zu konzentrieren. Da wir kein Flugblatt erstellen und keine Aktion planen mussten, ließ uns das mehr Zeit zum Reden formulieren bzw. übersetzen; das war uns ganz recht. Früh waren wir vor Ort; die richtige Blockade bekamen wir so gar nicht mehr mit. Aber auch "nur" an den Demonstranten vorbeizugehen war ein seltsames Gefühl, auf einmal waren wir auf der „falschen“ Seite.
Die anderen Aktionäre sind zum kleineren Teil Interessenvertreter von Aktionärsgruppen, wie es eben auch die kritischen Aktionäre sind. Erstere sorgen sich in erster Linie um Führung und Aktienkurs des Unternehmens. Der Großteil der Aktionäre sind Rentner, etwas weniger Rentnerinnen, die die Möglichkeit einer freien Fahrt, Verköstigung und die Teilnahme am bunten Tagesprogramm nutzen.
Durch unser rechtzeitiges Eintreffen gingen Anmeldung und Eintritt fix und wir konnten uns zusammen mit den anderen Organisationen einen Platz in der zweiten Reihe sichern. Denn nicht nur urgewald ging in die Grugahalle sondern auch andere Gruppen und Einzelpersonen, die mit Hilfe der kritischen Aktionären die Hauptversammlung besuchen können. Die Protestaktionen von attac liefen direkt vor uns ab. Nicht in die Sprechchöre "abschalten, abschalten" einzufallen fiel uns teilweise schwer, so wollten wir doch bis zu unseren Redebeiträgen im Saal bleiben. Auch ohne uns waren jedoch genug Protestierende da und die ganze Aktion lieferte schöne Bilder, besonders Großmann mit Bodyguard konnte am nächsten Tag in diversen Zeitungen gesichtet werden.
Die Nichtregierungsorganisationen sprachen zum Thema Atom aber auch zu Kohle. Urgewald brachte Reg, einen Gast aus Westengland, mit. Dort planen RWE und E.ON eine neues AKW, das vor Ort niemand haben will. Aber auch andere Aktionäre brachten Ihre Bedenken zur Sicherheit der Atomkraft vor. Befürworter der Atomkraft gab es natürlich ebenfalls. Auf beiden Seiten waren alte und neue Argumente zu hören. Da wir nicht alle nacheinander sprachen, war uns teilweise die Möglichkeit gegeben in unseren Beiträgen auf vorherige konträr argumentierende Redner einzugehen und diese zu widerlegen.
Insgesamt war mein Eindruck, dass die Geschehnisse im Saal die Menschen auf der Bühne durchaus interessierten. Manches Mal schien eine Regung auf den Gesichtern des Vorstandes sichtbar zu werden, wenn die Redner es vollbrachten die Anwesenden zu amüsieren. Der Vorstandsvorsitzende schien jedoch meist gleichmütig und brachte sein Missfallen höchstens durch die Abwendung seines Gesichtes von der der Rednerin zum Ausdruck. Das geschah z.B. als Heffa Schücking von urgewald seinen Rücktritt forderte.
Der Versammlungsleiter und Vorsitzende des Aufsichtsrats, Herr Schneider, hielt sich an die Regeln der Moderation und blieb stets diplomatisch. Alle Erwiderungen wurden immerhin in Ruhe vorgetragen. Hier sollte ich erwähnen das Fragen von unterschiedlichen Personen aus dem Vorstand beantwortet wurden. Eventuell wäre Großmann nicht so ungewöhnlich ruhig geblieben, hätte man ihn als Vorsitzenden, wie sonst üblich, den Großteil der Zeit reden lassen. Es gab natürlich oft fadenscheinige Ausreden und Entschuldigungen anstatt direkte, stichhaltige Antworten. Das zum Beispiel den nachfolgenden Generationen keine Altlasten aufgebürdet werden, weil ja Rückstellungen von 12,2 Mrd. für die Endlagerung zu Verfügung ständen ist bei Lagerungszeiträumen von zehntausenden von Jahren lächerlich. Mein persönliches Highlight war, dass mich nach meinem Beitrag zur Generationsgerechtigkeit ein paar Stimmen übertragen wurden von jemandem der meinte: "Das bin ich meinen Enkeln schuldig!"
Fazit: RWE tritt eher wie der alte, konservative, Energieriese auf. Das macht ihn leichter angreifbar, ein klassischer Goliath. Allerdings waren mir die Personen auf der Bühne sympathischer als es bei E.ON der Fall war, da sich ohne weiteres erkennen ließ, dass Menschen mit all ihren Vor- und Nachteilen dort sitzen.
E.ON: Cleaner & better energy?
Hintergrund: E.ON betreibt sieben Atomkraftwerke in Deutschland und ist damit DER Atomkonzern in Deutschland. Außerdem ist E.ON (von Äon –Unendlich abgeleitet) das größte private Energieunternehmen in Europa. Der Anteil erneuerbarer Energien bei E.ON beträgt je nachdem welche Länder betrachtet werden zwischen 9 und 11 %. Trotz dieser Zahlen, die sich im Vergleich zu RWE gut anhören, investiert E.ON wenig im Bereich der erneuerbaren Energien (Bsp: 1,1 Mrd. für EE, 3,6 Mrd. für neue Kohlekraftwerke in Deutschland). Der Betrieb von AKW ist für E.ON immer noch die sauberste Art der Energieerzeugung. Zum Thema ist die von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie: „Investitionen der vier großen Energiekonzerne in Erneuerbare Energien“ zu empfehlen.
Zwei Wochen später also: gleiche Zeit, gleicher Ort, anderes Bild.
Zwar gab es auch hier einiges an Polizei, die eine Gasse von der U-Bahnstation zur Grugahalle bildeten. Doch die Strategie von E.ON, sich weniger konfrontativ zu verhalten, ging auf. Vorstandschef Theyssen bildet im Vergleich zu Großmann weit weniger Angriffsfläche. So blieb der Protest außerhalb ungleich geringer als bei RWE obwohl die E.ON als größter Atomkonzern Deutschlands und weltgrößter privater Energieversorger kein Stück besser ist als die RWE.
So hielten wir als urgewald es diesmal für wichtig auch draußen vertreten zu sein, um Informationen zur Kinderkrebsstudie und zu Atomkraft und Klimaschutz zu verteilen. (Bei der Ethikkomission hatte Herr Theyssen die Atomenergie ja als Klimarettung dargestellt). Die E.ON hatte sich auf Protest drinnen vorbereitet. Zu allen Organisationen, die sich vor der Halle befanden, kam ein Vertreter von E.ON der verlauten ließ, Protesten würde zu Beginn Zeit eingeräumt werden. Außerdem kam uns zu Ohren, dass Theyssen pausieren würden, falls Sprechchöre beginnen würden. Hätte es ebenso viele Zwischenfälle wie bei RWE gegeben, hätte dies allerdings zu erheblichen Verzögerungen geführt. Zusätzlich waren die Stuhlreihen für die Gäste weiter entfernt von der Bühne und es gab von vorne, ohne zu klettern, keine Möglichkeit die Bühne zu betreten.
Das Bild der Aktionäre schien mir ähnlich wie bei RWE. Auch hier gab es Aussagen auf die ich einfach nichts erwidern kann, außer Kopfschütteln. Zum Beispiel, dass man den Atommüll doch einfach den zukünftigen Generationen überlassen sollte, die würden schon damit klar kommen; oder dass doch klar wäre dass die Aktivisten keine Angst vor Strahlung hätten, sonst würden sie sich nicht vor CASTOR-Transporte ketten. Natürlich gab es aber auch hier Besucher, die unserem Anliegen Verständnis entgegenbrachten.
Auch hier wurden über die kritischen Aktionäre hauptsächlich gegen Atom gesprochen. Urgewald hatte diesmal zwei Gäste: Carl aus Wales und Hanna aus Finnland. Im Gegensatz zur vorherigen HV wurde unsrer Bitte, die beiden früh sprechen zu lassen, damit sie nach ihrer langen Anreise zumindest genug Redezeit bekämen, nicht entsprochen. Hanna wurde nach dem Ende ihrer Redezeit auch nicht mehr die Möglichkeit gegeben Fragen zu stellen, auch wenn ich dies bei den anderen beiden Hauptversammlungen als nicht außergewöhnliche Bitte erlebt habe. Ob dies damit zu zusammenhängen könnte, dass der Vorstand betonte am Projekt in Finnland nur einen unbedeutenden Anteil zu haben, Hanna jedoch betonte, dass E.ON als größter Anteilseigner des Projekts folgenträchtige Aussagen zum Projekt machen kann. Hanna konnte ihre Fragen zum Ende des Tages stellen. Generell erschien mir die Behandlung der Kleinaktionäre meist wenig höflich. Theyssen wiederholte zu Beginn der Antwortrunden immer wieder gerne, dass nur Meinungen dargelegt werden und kaum Fragen gestellt werden. Nach meiner kurzen Erfahrung aus drei Hauptversammlungen machen dies fast alle Aktionäre, die sich zu Wort melden, womit dies zum Gewohnheitsrecht bei Aktionärsversammlungen zu gehören scheint und diesbezügliche Kommentare von Theyssen nur Ausdruck seiner Missbilligung negativer Kritik waren.
Der Vorstandsvorsitzende las seine Antworten außerdem betont gleichgültig und möglichst schnell vor, als wie um zu betonen, dass er hier eine unliebsame Pflichtübung abhalten muss. Dass diese Versammlung in erster Linie dazu da sei, die Aktionäre reden und fragen zu lassen, so wie er es zu Beginn betonte, wurde somit als leere Phrase enttarnt und der "Wolf im Schafspelz" (Handelsblatt, 6.5.) zeigte Zähne. Der Frage nach den Kosten im Fall eines GAU wurde mehrfach ausgewichen. Letztlich war die Antwort, dass sie keinen Restrisikofall erwarten und sie diese Kosten darum auch nie berechnet haben!
Der Versammlungsleiter Hartmann griff bei der Beschränkung der Redezeit härter durch, als Schneider dies tat, wobei sich erkennen ließ, dass Atomkraftgegnerinnen weniger Zeit bekamen als dem Vorstand wohlgesonnene Reden.
Mein Highlight dieser Versammlung war als Theyssen meinte: "Trotz aller Perfektion bleibt es menschlich" Die Vorstandsriege kann er nicht gemeint haben, dafür erschien sie mir viel zu kaltschnäuzig. Vielleicht, dachte ich, hat er’s ja insgeheim doch verstanden, so ist es doch auch mit der Atomkraft. Selbst bei perfekter Technik bleibt als Restrisiko immer noch der Mensch...
Commerzbank: Gemeinsam mehr erreichen?
Hintergrund: Innerhalb Deutschlands ist die Commerzbank auf Platz zwei der radioaktiven Banken. Die Übernahme der Dresdner Bank hat hierbei nachgeholfen. Die Investitionen erfolgen indirekt über die großen Energieunternehmen und über die Firma Urenco, die Urananreicherung betreibt. Die Commerzbank investiert direkt in den Ausbau von Kohlekraftwerken in Deutschland und Südafrika. Die Commerzbank investiert auch im Bereich der erneuerbaren Energien.
Am Tag eins nach E.ON ging es in der Früh nach Frankfurt am Main, wo wir vor der Jahrhunderthalle Flyer verteilten zur Frage: Wob bleibt die neue Commerzbank? Wie auch die Überschrift des Jahresberichtes, stammt der Begriff „neue Commerzbank“ nicht von uns und zielte natürlich auf die Übernahme der Dresdner Bank ab. Dass dieses Geschäft den Aktienkurs der Commerzbank in den Keller fallen ließ und das die Auflösung der stillen Beteiligung des Bundes deren Wert noch weiter fallen lassen könnte sind die großen Sorgen der Anleger. Diese veranstalteten jedoch keine Protestaktionen vor der Halle und da auch sonst Umweltsünden von Banken selten Teil von Kampagnen sind, war urgewald diesmal ganz allein unterwegs. Wir waren somit auch weniger ein Feindbild für die Aktionäre, was das Flugblätterverteilen seht entspannt machte. Es gab zum Beispiel keine Polizei, die uns von den anderen Gästen abschirmte. Wir hatten somit auch mehr Gelegenheit Gespräche zu führen als bei den Energieversorgern. Interessant waren Unterhaltungen über unsichere Anlagen in Windkraftanlagenbetreiber oder darüber wie schnell man eine andere Energieversorgung aufbauen könnte. Ein Aktionär sagte zu mir: „Kritisieren ist leichter als selber machen“ Aber was glauben Sie wer würde uns in einem solchen Unternehmen machen lassen? Wie wir es für richtig halten haben wir in „Neue Banken braucht das Land“ beschrieben und es gibt mindestens 4 Finanzinstitute, die genau diesen Weg gehen. Darum macht Eure Bank grün oder wechselt Euer Konto.
Nachdem alle Flugblätter vergriffen waren, setzten wir uns zu zweit wieder weit nach vorne, um gut beobachten zu können. Auch dieser Tag versprach spannend zu werden. Der Vorstandsvorsitzende Blessing wusste schon vorher welche Schimpftiraden er ertragen würde müssen, das wurde ja sogar zuvor in der Zeitung angekündigt. Wahrscheinlich waren die ein oder anderen Zeitungsartikel am nächsten Tag eher Grund zur Freude, da hier ein anderes Bild von seiner Arbeit gezeichnet wurde als es die Aktionäre taten.
Blessing ertrug die niederschmetternde Kritik mit Fassung. Er las alle Fragen und ihre Antworten ruhig vor. Natürlich wurde auch hier an einigen Stellen ausgewichen. Im Fall unserer Rede (es gab nur eine, die wir auf uns beide aufteilten) wollten sie einfach nicht darauf eingehen, dass die Finanzierung von Konzernen wie Electricité de France und URENCO quasi bedeutet nukleare Projekte zu unterstützen. Trotzdem hatte ich hier beim Vorstandsvorsitzenden wie auch beim Versammlungsleiter Müller den Eindruck, sie bemühten sich ehrlich um das Wohlwollen der Aktionäre. Dies mag daran liegen, dass die Aktionäre, sowie ebenfalls angereiste Kundinnen, allesamt unzufrieden und wütend waren und somit einige Diplomatie nötig war, um Ruhe im Saal zu behalten. Jedoch wurde mir von meinen Kolleginnen berichtet, diesen positiven Eindruck würde die Commerzbank bei ihren Hauptversammlungen immer vermitteln. Das überrascht mich ungemein auch wenn ich bei genauerem Nachdenken sagen muss: Für Profit über Leichen gehen fast alle Unternehmen. Die Konzernphilosophie spiegelt sich aber auch im Verhalten gegenüber ihren Aktionären wieder. Ob das ein Unternehmen besser oder schlechter macht, mag ich hier nicht beurteilen.
Deutsche Bank: Erfolgreich in unsicheren Zeiten?
Hintergrund: Nummer eins der radioaktiven Banken in Deutschland. Nummer acht der radioaktiven Banken weltweit. Nicht nur die großen Energieversorger – dabei auch TEPCO - sondern auch Uranabbau werden durch die Deutsche Bank finanziert. Darüber hinaus verdient diese Bank ihr Geld mit Streumunition und hat zur Entwicklung der Immobilienblase in den USA beigetragen.
Bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 26.Mai erwarte ich mehr Protest als es bei der Commerzbank der Fall war. Sie ist halt das Sinnbild für dreckige Finanzgeschäfte.