Die Jahrestagung der Weltbankgruppe (WBG) im Oktober 2024 brachte für unsere Anliegen nicht viel Neues: Die Finanzierung von fossiler Energie und Infrastruktur durch die Weltbank geht weiter. Transparenz ist trotz des neuen Bewertungssystems der „Scorecard“ an den entscheidenden Stellen nicht gegeben. Unsere Kritik bleibt weiterhin aktuell.
Die Pressemitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, zieht eine positive Zwischenbilanz. Staatssekretär Niels Annen wird mit folgenden Worten zitiert: „Die Weltbank ist heute größer und besser denn je und hat damit die richtige Antwort gefunden auf die Forderung der G20 nach einer stärkeren Rolle bei der Finanzierung der nachhaltigen Transformation.” Ein Argument dafür sei die neue „World Bank Group Scorecard“, die erstmals für alle Geschäftsbereiche ein einheitliches Ziel- und Indikatorensystem vorgebe (BMZ 2024).
Diese Einschätzung, dass die Weltbank jetzt eine bessere Bank geworden sei, teilen wir nicht. Die Definitionen einer besseren Bank unterscheiden sich grundlegend zwischen einigen Anteilseigner*innen und dem Management der Weltbank und zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen.
Es ist problematisch, dass eine bessere Bank nur in Zusammenhang mit einer größeren und schnelleren Bank gesehen wird. Unter dem Motto “development delayed is development denied” (DC-Paper 2024) wirbt Präsident Ajay Banga und das Weltbank-Management mit drastisch gekürzten Projektvorbereitungszeiten auf 12 Monate, kürzeren Projektdokumentationen und der Delegation von Entscheidungsbefugnissen an das Management bzw. deren Projektteams (Banga 2024). Zudem erfolgt die Mittelbereitstellung zunehmend über indirekte Finanzierungsinstrumente, deren entwicklungspolitische Wirkung kaum nachvollziehbar sind.
Es drohen noch mehr Risiken für Mensch und Natur
Nach unseren Einschätzungen gehen all diese Veränderungen mit zusätzlichen Risiken für die Menschen einher, in deren Umfeld Projekte und Programme der Weltbank durchgeführt werden. Eine Erklärung, wie bei all dieser Beschleunigung die institutionelle Rechenschaftspflicht und Aufsicht gestärkt werden soll, bleibt der Präsident schuldig. Ganz im Gegenteil: Ajay Banga wird nicht müde über Armutsreduzierung zu sprechen. Doch nur solange es darum geht, knappe öffentliche Mittel für die Wiederauffüllung der für die ärmsten Länder zuständige Internationale Entwicklungsorganisation IDA zu mobilisieren. Spricht man ihn jedoch auf die durch die Weltbank zu verantwortende Verarmung und Menschenrechtsverletzungen an, sieht er die Weltbank nicht in mehr in der Rolle, Armut zu reduzieren. So wird beispielsweise der Privatsektorarm der Weltbankgruppe, die International Finance Corporation (IFC), bei negativen Auswirkungen von Projekten nicht in die Pflicht genommen. Forderung zur Einführung eines Abhilfe-Rahmenwerks, welches im Falle von negativen Auswirkungen sicherstellen soll, dass Abhilfemaßnahmen auch durch die IFC finanziell mitgetragen werden, wird weiterhin abgeblockt. Der Umgang des IFC Managements mit dem Bridge Academies Fall hat gezeigt, dass selbst in schwersten Fällen von negativen Auswirkungen bisher keine wirksame Abhilfe für Betroffene sichergestellt ist.
Ajay Banga zeigt bisher keinerlei Bemühungen, diesen Zustand zu ändern. Diese Doppelmoral der Weltbank sorgt für großes Misstrauen auf Seiten der Zivilgesellschaft gegenüber der Mission der Weltbank „Armut auf einem lebenswerten Planeten zu beenden.“
Eine bessere Bank sollte unsere Einschätzung nach unabhängig vom Vergabevolumen betrachtet werden. Der Kreditvergabedruck ist ein seit Jahrzehnten kritisierter Einflussfaktor, der die Kultur in der Weltbank maßgeblich prägt. Dieser Druck beeinflusst bspw. die Arbeit der Beschwerdemechanismen (Schäfer 2024) oder mindert Chancen, dass alternative dezentrale Projektdesigns vorgeschlagen werden. Anschaulich wird dies an den laufenden Vorbereitungen zur Kreditvergabe des größten geplanten Staudamms der Welt, dem Rogun-Staudamm in Tajikistan. Für den Bau des Staudamms müssen über 50.000 Menschen umgesiedelt werden. Alternativen sind vorhanden, werden jedoch nicht priorisiert. Der Aufsichtsrat der Weltbank plant, einem Kredit für den Rogun-Staudamm trotz bekannter und anerkannter massiver Kritik im Dezember zuzustimmen.
Neue „Scorecard“ kein Beitrag zur mehr Transparenz
Die Scorecard könnte eine Rolle auf dem Weg zu einer besseren Bank spielen, vorausgesetzt dass die richtigen Indikatoren als Richtungsmesser gewählt werden. Bezeichnend ist, dass einer der 22 Indikatoren, von ursprünglich über 150 Indikatoren, darauf abzielt, das Volumen von mobilisierten Privatinvestitionen zu messen. Die Qualität der Messung von Privatkapitalmobilisierung ist aus Perspektive der Zivilgesellschaft als auch des Privatsektors nicht zufriedenstellend (PWYF 2024). Darüber hinaus haben Stimmen aus der Zivilgesellschaft während der Jahrestagung kritisiert, dass Indikatoren zur Messung von ökonomischer Transformation gänzlich fehlen. Die Scorecard soll den Impact der Weltbank auch gegenüber den Steuerzahlern verdeutlichen (Banga 2024), ist jedoch wirkungslos im Hinblick auf die strukturellen Transparenzdefizite in der Handels-(Urgewald 2024) und Klimafinanzierung (Oxfam 2024). Daher vermittelt die Scorecard in ihrem jetzigen Zustand einen irreführenden Schein von Transparenz.
Indirekte Finanzierung von fossilen Energien gesteigert
Die Transparenzdefizite werden insbesondere bei dem für die Privatwirtschaft zuständigen Arm der Weltbank deutlich, der International Finance Corporation (IFC). Die IFC gliedert ihre Handelsfinanzierungsaktivitäten in neun verschiedene Programme. Im Jahresbericht der IFC werden jedoch nur zwei dieser neun Programme aufgeführt. Unsere Recherchen deuten darauf hin, dass die IFC im Geschäftsjahr 2023 16,1 Mrd. USD für ihre Handelsfinanzierungsprogramme bereitgestellt hat, von denen schätzungsweise 29%, d.h. 4,7 Mrd. USD, in den fossilen Sektor geflossen sind. Seit 2019 hat die IFC ihre Handelsfinanzierungszusagen verdoppelt und von 2019 bis 2023 mehr als 60 Milliarden US-Dollar in Handelsfinanzierungen investiert. Mehr als 16,1 Mrd. USD oder 58 % des Eigenkapitals der IFC im Geschäftsjahr 2023 wurden für Handelsfinanzierungen verwendet (Urgewald 2024).
Das IFC-Management verweigert sich in diesem Geschäftsbereich jeglicher Transparenz. Unsere Zahlen werden intern vom IFC-Management als falsch bewertet. Auf eine Gegendarstellung oder gar ein Gespräch zur Klärung warten wir seit über einem Jahr. Die Handelsfinanzierung als wohl wichtigstes Finanzierungsinstrument der IFC wird weiterhin ohne öffentliche Kontrolle im Portfolio der IFC wachsen. Neben der Förderung des fossilen Sektors ist der entwicklungspolitische Mehrwert mehr als fraglich.
Die Privatsektorförderung kann den Mangel an öffentlichen Mitteln für die International Development Association (IDA) nicht ersetzen
Mit dem Ziel, Privatinvestitionen zu mobilisieren, werden über das IDA-Privatsektorfenster (PSW) knappe IDA-Mittel genutzt, um Handelsfinanzierung in den ärmsten Ländern zu erleichtern. Durch die vom IDA-PSW unterstützte Handelsfinanzierung kann die WBG zwar die finanziellen Risiken für den Privatsektor verringern, erhöht aber das Reputationsrisiko für ihr eigenes Portfolio. Derzeit wird etwa ein Viertel der IDA-PSW-Mittel für die Handelsfinanzierung verwendet. Doch die Rückverfolgbarkeit ist begrenzt, die Auswirkungen auf die Entwicklung sind fragwürdig und potenziell werden erhebliche Investitionen in den Handel mit fossilen Brennstoffen getätigt (Urgewald 2024). Bei fast allen vom PSW unterstützten Projekten im größten Handelsfinanzierungsprogramm (Global Trade Finance Program) sind nicht einmal die empfangenden Finanzinstitute oder Länder auf der Website der IFC zu finden. Wir sehen die Verwendung von knappen sogenannten konzessionären IDA-Krediten, mit besonders begünstigten Zinskonditionen, aufgrund dieser fehlenden Transparenz sehr kritisch und unterstützen die angedachte Aufstockung des PSW nicht.[JP1] Stattdessen wäre die Aufstockung der öffentlichen Mittel das beste Signal und ein echter Gewinn für die ärmsten Länder. Doch die massiven Kürzungen im Haushalt des BMZ und der Mangel an politischer Unterstützung für die IDA-Länder werden die globalen Schieflagen verschärfen.
Ein Vorschlag für eine bessere Bank
Einen Vorschlag, wie die Weltbank tatsächlich zu einer besseren Bank umgebaut werden könne, machte die Kongressabgeordnete Maxine Waters während der Weltbank Jahrestagung. Waters brachte ein Gesetzgebungsverfahren (Bill) auf den Weg, welches im Falle seiner Umsetzung viele der hier skizzierten strukturellen Probleme lösen könnte. Das Gesetzesvorhaben zielt auf die „Verbesserung der Arbeitsweise und der Rechenschaftspflicht der internationalen Finanzinstitutionen, verstärkte Unterstützung für Länder mit niedrigem Einkommen und Förderung von Menschenrechts- und Umweltstandards bei globalen Finanzprojekten“ ab (Waters 2024).
Mehr Verantwortung
Auch Deutschland muss mehr Verantwortung in der Aufsicht über die Weltbank-Gruppe übernehmen. Im Namen der Entwicklung werden gegenwärtig weitreichende Änderungen zur Beschleunigung und Ausweitung der Kreditvergabe vorgenommen. Es bedarf einer stärkeren parlamentarischen Aufsicht über die Weltbank, um die Rechte von Betroffenen, institutionelle Rechenschaftspflicht und die Transparenz in der Kreditvergabe zu stärken. Als Grundlage für eine wirksame parlamentarische Aufsicht sollte sich der Bundestag für eine umfassende Transparenzinitiative einsetzen, die alle Kreditvergabeinstrumente umfasst. Die Berichtpflichten der Banken gegenüber dem Parlament sollten zudem erweitert und unter Einbezug von Vertreterinnen der unabhängigen Beschwerdemechanismen sowie der Zivilgesellschaft erfolgen.