„Stolpersteine für den Klimaschutz“

Heffa Schücking im Interview mit der Huffington Post (18.7.2017; Übersetzung) zur urgewald-Recherche über die wichtigsten Kohlekraftwerksbauer weltweit.
Heffa Schücking
Heffa Schücking (Foto: Andreas Schoelzel)

Was ist der Hauptzweck der Coalexit-Datenbank – dient sie eher als Forschungsinstrument oder zur Unterstützung der Investoren?

Die Datenbank zeigt, welche Unternehmen die weltweite Flotte von Kohlekraftwerken vergrößern wollen. Wir hoffen, dass sie von vielen NGOs und Wissenschaftlern genutzt wird, aber das wichtigste Publikum, das wir erreichen wollen, ist die Finanzindustrie. Wenn Banken und Investoren nicht den Kurs wechseln und aufhören, in Kohlekraftwerksentwickler zu investieren, wird es unmöglich sein, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen.

Warum hat urgewald sich auf die wichtigsten 120 Kohle-Anlagenentwickler konzentriert?

Viele Investoren haben damit begonnen, Kohlebergbauunternehmen aus ihren Portfolios zu schmeißen, investieren aber weiterhin in die Entwickler von Kohlekraftwerken. Diese Investitionen erzeugen einen doppelten Schaden, da neue Kohleanlagen eine zusätzliche Nachfrage nach weiteren Kohlebergwerken schaffen und über Jahrzehnte neue CO2-Emissionen erzeugen.

Wie schwer war es, die Liste auf nur 120 Unternehmen zu beschränken?

Mehr als 600 Unternehmen sind an neuen Kohlekraftwerke beteiligt, aber die 120 Unternehmen auf unserer Liste sind für 2/3 dieser Projekte verantwortlich. Wenn Banken und Investoren mit dem Rauswurf dieser 120 beginnen, wäre dies ein starkes Signal an alle beteiligten Akteure. Wir planen aber auch, unsere Recherchen auf weitere Unternehmen zu erweitern.

Wie viel Recherche war nötig, um die Liste zu erstellen?

In den vergangenen zwei Jahren haben wir an einem breiteren Forschungsprojekt gearbeitet, das alle wichtigen Akteure der Kohle-Wertschöpfungskette zum Ziel hat. Als wir jedoch begannen zu analysieren, haben wir erkannt, dass Kohleanlagenentwickler nicht unbedingt als traditionelle Kohlefirmen betrachtet werden. Rund die Hälfte der Unternehmen auf unserer Liste bezieht weniger als 50% ihrer Umsätze aus Kohle. Hierbei handelt es sich um große, diversifizierte Unternehmen wie Marubeni oder Unternehmen, die gerade erst in den Kohlesektor eintreten, aber deren traditionelles Geschäft in anderen Sektoren liegt. Alles in allem dauerte es ca. 4 Monate, um diese Forschung abzuschließen.

Warum gibt es einen so starken Fokus auf Länder, die bisher noch keine Kohlekraftwerke betreiben?

Es ist sehr besorgniserregend, Kohlekraftwerke in Ländern wie Ägypten einzuführen, aber auch Nigeria, Pakistan oder Bangladesch, die bislang keine oder sehr wenig Kohlekapazität haben. Wenn wir den globalen Temperaturanstieg auf 1,5° C begrenzen wollen, müssen Kohlekraftwerke so schnell wie möglich vom Netz gehen. Indem nun neue Länder in einen Kreislauf der Kohleabhängigkeit gebracht werden, setzen die Kohlekraftwerksentwickler riesige Stolpersteine für effektive nationale und internationale Klimaschutzmaßnahmen.

Wie effektiv ist das Kohle-Divestment, also der Verkauf von Kohleanlagen als Klimaschutz-Werkzeug?

Kohle-Divestment kann sehr effektiv sein, aber es muss über den Kohlebergbau hinausgehen und auch Kohlekraftwerksbauer und Energiefirmen abdecken. Wenn Investoren Kohleanlagen abstoßen, tun sie viel mehr als nur den Verkauf von Vermögen. Der entscheidende Schritt liegt darin, dass sie auch zukünftige Investitionen in diese Unternehmen effektiv ausschließen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, die wirklich großen Investoren und Banken zu bewegen, da sie die wichtigsten Anbieter von Kapital für die Kohleindustrie sind.

Was ist der Hintergrund von urgewald bei solchen Kohle-Divestment-Kampagnen? Waren frühere Divestment-Kampagnen erfolgreich? Wie kam es dazu?

Die beiden wichtigsten Kampagnen, die urgewald in diesem Bereich führte, waren beim Norwegischen Pensionsfonds, der weltweit zweitgrößte Pensionsfonds, und bei der Allianz, dem weltweit größten Versicherungsunternehmen. Im Jahr 2015 haben sich beide Institutionen verpflichtet, Unternehmen zu veräußern, die mehr als 30% ihres Umsatzes oder der Stromerzeugung aus Kohle beziehen.

Warum wolltest du Aktivistin werden?

Ich denke, es hat viel mit meinen Eltern zu tun. Sie verliehen mir einen starken moralischen Kompass und das Vertrauen, das es braucht, um sich den Mächtigen in dieser Welt entgegenzustellen.

Was kommt als nächstes für urgewald?

Lokale Bewegungen kämpfen bereits gegen neue Kohlekraftwerke auf der ganzen Welt. Wir wollen sie unterstützen, indem wir eine internationale Kampagne gegen die Finanzinstitute starten, die die verantwortlichen Kohleanlagenentwickler unterstützen.

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Stefanie Jellestad

    Stefanie Jellestad
    Pressesprecherin
    stefanie.jellestad [at] urgewald.org
    +49 (0)30 863 29 22-60

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