Russisches Gas: Neue EU-Sanktionen richtig, aber nicht ausreichend

Pressemitteilung
Kiew/Berlin/Helsinki 20.06.2024

Die globale NGO-Koalition B4Ukraine[1] begrüßt, dass im heute laut Medienberichten beschlossenen 14. EU-Sanktionspaket gegen Russland erstmals russische Gasexporte enthalten sind. Allerdings wollen die EU-Mitgliedsstaaten demnach lediglich die Finanzierung neuer russischer LNG-Infrastruktur sowie den Re-Export von russischem Flüssigerdgas verbieten („Transshipment Ban“). 

Der Transshipment Ban soll verhindern, dass die EU weiterhin russische LNG-Exporte aus der Arktis nach Asien durch das Umladen von Flüssigerdgas in EU-Gewässern ermöglicht. Dies betrifft jedoch nicht den aus finanzieller Sicht bedeutenderen Gasbezug der EU-Mitgliedsstaaten selbst aus Russland. 

B4Ukraine fordert insbesondere die deutsche Bundesregierung auf, sich für ein vollständiges LNG-Embargo gegen Russland einzusetzen. Während die Einfuhr von Kohle und Erdöl (auf dem Seeweg) schon im Jahr 2022 verboten wurde, kann Russland weiterhin hohe Milliardenbeträge einnehmen durch den Verkauf seines per Tanker aus der Arktis exportierten Flüssigerdgases. 

Petras Katinas, Energie-Analyst vom finnischen Rechercheinstitut CREA (Centre for Research on Energy and Clean Air), sagt:
„Nach unseren Berechnungen hat die Europäische Union seit dem 22. Februar 2022 mehr als 85 Milliarden Euro für russisches Gas bezahlt. Mit diesem Geld finanziert der Kreml seinen Krieg gegen die Ukraine. Russland ist insbesondere beim LNG-Export aus der russischen Arktis extrem abhängig vom Zugang zu EU-Gewässern und -häfen. Das Umladeverbot erschwert zwar Russlands Gasexporte, doch erst ein vollständiges Einfuhrverbot würde das russische Gasgeschäft aus der Arktis wirklich in Bedrängnis bringen. Denn ohne die nahegelegenen EU-Häfen wäre der Gastransport auf speziellen Eisbrecher-LNG-Tankern kaum noch wirtschaftlich zu betreiben.“

Svitlana Romanko, Direktorin der ukrainischen NGO Razom We Stand, ergänzt: „Meine Heimat ist täglich russischen Angriffen ausgesetzt. Mittlerweile sind mehr als 50 Prozent der Energieinfrastruktur zerstört oder schwer beschädigt. Die unsichere Energieversorgung wird insbesondere im nächsten Winter eine existenzielle Bedrohung für Millionen von Ukrainer_innen. Russland finanziert seinen Krieg vor allem mit den Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Deshalb haben wir schon im Februar 2024 gemeinsam mit über 280 Organisationen an die Bundesregierung appelliert, keine fossilen Brennstoffe aus Russland mehr zu kaufen. Das LNG-Umladeverbot kommt am 850. Tag des russischen Angriffskriegs sehr spät. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich endlich mit Nachdruck für ein vollständiges LNG-Einfuhrverbot bis spätestens Ende des Jahres einzusetzen.“ 

In den Tagen vor der Einigung hatte insbesondere Deutschland die Verabschiedung des 14. Sanktionspaketes blockiert. Dazu sagt Sebastian Rötters, Energie-Campaigner bei urgewald: „Statt Führung zu übernehmen, hat die Bundesregierung die Rolle des Bremsers gespielt. Umso wichtiger wird sein, dass Deutschland jetzt klare Kante zeigt. Putin hat die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas in diesem Krieg ganz bewusst als Waffe eingesetzt. Doch beim LNG-Export aus der Arktis ist Russland abhängig von der EU. Diesen Hebel müssen die Mitgliedsstaaten endlich nutzen. Zunächst müssen die EU-Mitgliedsstaaten das Umladeverbot mit sofortiger Wirkung umsetzen. Eine echte Zeitenwende wäre aber erst ein vollständiges Einfuhrverbot von russischem LNG. Deutschland sollte sich hierfür einsetzen und damit aus seiner eigenen leidvollen Gas-Abhängigkeit die richtigen Konsequenzen ziehen.“

Ein Untersuchungsausschuss des französischen Senats hat gestern empfohlen, die Einfuhr von russischem LNG nach Frankreich so schnell wie möglich zu verbieten.[2] Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten sollten sich dieser Empfehlung unverzüglich anschließen, um die Finanzströme aus Europa nach Russland weiter zu reduzieren. 

Weitere Informationen:

Offener Brief von mehr als 280 Organisationen an Bundeskanzler Olaf Scholz und weitere Staats- und Regierungschef*innen vom 21. Februar 2024, in dem unter anderem ein Importstopp für russisches LNG verlangt wird.
https://energyandcleanair.org/wp/wp-content/uploads/2024/02/24.02.2024-Position-European-NGOs-call-to-support-Ukraine-and-stop-financing-Russias-war.pdf

Von CREA betriebener Rechner mit dem aktuellen Stand der russischen Einnahmen aus dem Export fossiler Energierohstoffe seit dem 24. Februar 2022.
https://www.russiafossiltracker.com

urgewald-Briefing von April 2024 zum Thema russisches LNG mit dem Fokus auf die 15 Eisbrecher-Tanker der Arc7-Klasse und die damit verbundene Abhängigkeit Russlands von der EU.
https://www.urgewald.org/sites/default/files/media-files/240422_Arc7_Briefing_urgewald_deutsch.pdf

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    Bild Anprechpartner   Sebastian Rötters

    Sebastian Rötters
    Energie- und Kohlekampagnen
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    Moritz Schröder-Therre
    Pressesprecher
    moritz [at] urgewald.org
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