Deutschlands Verantwortung bei der AIIB

urgewald-Expertin Dr. Korinna Horta im Interview über Deutschlands Verantwortung bei der AIIB
urgewald-Expertin Dr. Korinna Horta auf einer Tagung zur Bank AIIB

Korinna, du warst 2018 für urgewald auf der Jahrestagung der Bank AIIB in Mumbai. Warum beschäftigt sich urgewald mit dieser Bank?

Die Bundesrepublik ist an der Finanzierung der AIIB beteiligt, also mit deutschen Steuergeldern. Wir finden, Deutschland muss das nutzen, um sich für die besten Standards für Menschenrechte und Umweltschutz bei der Bank einzusetzen. Das Bundesfinanzministerium hatte die Mitgliedschaft bei der AIIB damit begründet, sich für beste Praktiken bei der Bank stark machen zu wollen.

Aber es geht hier um eine Bank, die ihre Kredite ausschließlich in Asien vergibt. Warum sollten sich Menschen in Deutschland dennoch für die AIIB interessieren?

Peking hat hier erstmals die Führungsposition bei einer multilateralen Bank, an der auch westliche Staaten beteiligt sind. Deutschland ist dabei der wichtigste nichtasiatische Anteilseigner, weshalb die Bundesrepublik eine große Mitverantwortung dafür trägt, was die Bank tut. Deutschland hat auch über seine finanzielle Beteiligung hinaus eine exklusive Stellung, denn die AIIB erhofft sich durch diesen global angesehenen Anteilseigner internationale Glaubwürdigkeit. Außerdem hatte die Bundesrepublik bis Juni 2018 den Vorsitz für die gesamten Mitgliedsländer der Euro-Gruppe und wird weiterhin eine zentrale Rolle bei der Vertretung dieser mehr als zehn Staaten spielen. Und es hat einen Sitz im Aufsichtsrat der Bank. Hier kann die Bundesrepublik ihre Stimme hören lassen und die Richtlinien der Bank beeinflussen. Das ist extrem wichtig, denn viele der asiatischen Teilhaber sind vergleichsweise wenig an Umwelt- und Sozialstandards interessiert, weil sie es als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten empfinden. Wir als Deutschland müssen dafür sorgen, dass unsere Gelder nicht dazu beitragen umwelt- oder menschenrechtsschädliche Projekte zu finanzieren.

Deutschland steht ja gleichzeitig als mächtiges Weltbank-Mitglied auf der Seite der USA. Gab es hier Reaktionen zum Beitritt Deutschlands zur China-geführten AIIB?

Die Obama-Regierung in den USA hatte die europäischen Länder ausdrücklich darum gebeten, nicht der AIIB beizutreten. Weder die USA noch Japan sind der AIIB bisher beigetreten. Es war ein diplomatischer Sieg Pekings, die Gruppe der G 7-Staaten so zu spalten. 

Ihre Kredite vergibt sie nicht zu günstigen Konditionen an arme Länder, sondern eher zu Konditionen wie bei Geschäftsbanken.

urgewald-Campaignerin Dr. Korinna Horta

Wie ist urgewald überhaupt auf die AIIB und die deutsche Beteiligung aufmerksam geworden?

urgewald arbeitet seit vielen Jahren zu multilateralen Entwicklungsbanken, weswegen wir recht früh erfuhren, dass die Regierung in Peking ihre eigene multilaterale Bank gründen wollte und Staaten dazu einlud sich an dieser Bank zu beteiligen. Schon vor Gründung der Bank im Jahr 2014 wurde urgewald durch das Bundesfinanzministerium, das verantwortlich für die deutsche Teilnahme an der Bank ist, darauf aufmerksam.

Die AIIB sagt, sie wolle zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Sollte urgewald das nicht begrüßen? 

Die AIIB ist keine Entwicklungsbank, sondern eine Investitionsbank. Das heißt, ihre Kredite vergibt sie nicht zu günstigen Konditionen an arme Länder, sondern eher zu Konditionen wie bei Geschäftsbanken. Ihr Hauptziel ist es also nicht vornehmlich marginale Bevölkerungsschichten zu unterstützen, sondern hier geht es einfach um Investitionen in große Infrastrukturprojekte. Das zeigt schon ihr Name „Asian Infrastructure Investment Bank“.

Wo siehst du die größten Probleme bei der Bank?

Große Infrastrukturprojekte tragen immer ein hohes Risiko für die Umwelt und Menschenrechte, weswegen es sehr wichtig ist, dass die Öffentlichkeit von diesen Projekten erfährt und auch daran beteiligt werden kann. Auf der Webseite der AIIB kann man sich einen groben Überblick über die aktuellen Projekte verschaffen, jedoch gibt sie detailliertere Informationen nicht Preis. Außerdem gibt es bis heute keine Richtlinie, die sicherstellt, dass die Öffentlichkeit, einschließlich der direkt betroffenen Menschen, Zugang zu den Projektinformationen haben. Die bisherigen Entwürfe für die Richtlinie sind ungenügend. Es gibt bisher auch keinen Beschwerdemechanismus, wo betroffene Menschen ihre Stimme bei Problemen hörbar machen könnten.

Effizienz darf nicht der Grund sein, Betroffene nicht zu informieren und nicht an der Planung zu beteiligen. Denn gerade in den frühen Stadien der Projekte kann immer noch vieles zum Vorteil der Menschen vor Ort geändert werden.

Dr. Korinna Horta

Warum stellt die AIIB Betroffene vor solche Hürden? 

Die AIIB will effizient und schnell arbeiten. Sie möchte schneller Projekte bewilligen als es bei den anderen multilateralen Banken der Fall ist. Aber Effizienz darf nicht an erster Stelle stehen, wenn Projekte so große und irreversible Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung haben können. Effizienz kann und darf nicht der Grund sein, Betroffene nicht oder kaum zu informieren und nicht an der Planung zu beteiligen. Denn gerade in den frühen Stadien der Projekte kann immer noch vieles zum Vorteil der Menschen vor Ort geändert werden.

Wieso sind Umwelt- und Sozialstandards so wichtig, damit Mensch und Umwelt nicht unter den Projekten leiden? Kannst du Beispiele nennen? 

Infrastrukturmaßnahmen haben immer hohe Risiken für Umwelt und Menschen, das sind alles so genannte Kategorie-A-Projekte. Es geht beispielsweise um den Bau von Transportkorridoren wie Straßen oder Häfen in entlegenen Gegenden oder von Staudämmen, wofür immer wieder Menschen zwangsumgesiedelt werden. Deshalb ist es wichtig, dass es Standards dafür gibt, wie die Interessen der Umwelt und der Menschen vor Ort beachtet werden, und dafür, dass diese dann auch eingehalten werden. Beispielsweise muss geklärt sein, wie Umsiedlungspläne aussehen müssen beim Bau von Staudämmen. Es muss Richtlinien dafür geben, wie die Bank große Umsiedlungsprogramme durchführt und wie sie die Lebensgrundlage der Bevölkerung wiederherstellen wird. Die Umwelt- und Sozialstandards der AIIB sind aber sehr locker und offen. Sie enthalten viele Klauseln, die die Nehmerländer subjektiv auslegen können. 

Du hast den Präsidenten der AIIB, Jin Liqun, selbst schon einige Male getroffen. Wie schätzt du seine Macht ein?

Der große Unterschied zu anderen Entwicklungsbanken ist, dass sich hier sehr viel Macht in den Händen des Präsidenten konzentriert. Ab 2019 kann er Projekte bis zu einer bestimmten Summe selber bewilligen, ohne dass er den Aufsichtsrat der Bank miteinbeziehen muss. Auch das soll angeblich dazu dienen, dass Kredite effizienter und schneller vergeben werden. Wir befürchten, dass der Aufsichtsrat zu viel Entscheidungsmacht an den AIIB Präsidenten delegiert und sich zu wenig mit der Qualität der finanzierten Projekte befasst. 

Wir sind besorgt darüber, dass die Bank chinesischen geopolitischen Interessen dienen könnte mit wenig Rücksicht auf die Interessen der Zivilgesellschaft und der Umwelt.

Dr. Korinna Horta

Was ist deine besondere Rolle und die von urgewald, wo glaubst du kannst du für einen Wandel sorgen?

urgewald organisiert zusammen mit dem deutschen Finanzministerium einen Austausch zwischen Regierungsvertretern und der Zivilgesellschaft. Das Finanzministerium bringt die Regierungsvertreter anderer europäischen Staaten mit und urgewald Vertreter europäischer und asiatischer NGOs. Für die asiatischen NGOs ist das oft die einzige Möglichkeit überhaupt von Repräsentanten der Regierungen gehört zu werden, weil ihre eigenen Regierungen sie nicht hören wollen. Zudem kennt sich urgewald seit vielen Jahren mit Transparenzrichtlinien und Beschwerdemechanismen von multilateralen Banken wie der Weltbank aus und macht hierzu konkrete Verbesserungsvorschläge. Zum Beispiel schreibe ich Analysen dazu, wie die Richtlinien bei der AIIB verbessert werden müssten. Wir stellen solche Briefings zum einen dem Finanzministerium vor und wir schließen uns international mit anderen Organisationen zusammen, welche die Briefings dann an den AIIB-Präsidenten senden.

Die AIIB wird über solche Vorschläge, vorsichtig gesagt, sicher nicht immer erfreut sein. Gleichzeitig müsst ihr ja die Kanäle zur Bank offenhalten, um sie von euren Positionen überzeugen zu können. Wie gehst du mit diesem Spagat um?

Wir stehen im regelmäßigen Austausch mit Mitarbeitern der AIIB. urgewald begleitet die Bank aber immer mit kritischer Distanz. Wir sind besorgt darüber, dass die Bank letzten Endes chinesischen geopolitischen Interessen dienen könnte mit wenig Rücksicht auf die Interessen der Zivilgesellschaft und der Umwelt. Unsere Befürchtung ist auch, dass vieles, was die Bank verspricht, letzten Endes nicht umsetzen wird. Deshalb wollen wir die kritische Distanz bewahren. 

Letzten Endes werden uns Projekte der Bank auch direkt betreffen.

Dr. Korinna Horta

Hattet ihr bereits Erfolg mit eurem Einsatz?

Wir konnten einen guten Dialog mit dem zuständigen deutschen Finanzministerium aufbauen. Und wir konnten erreichen, dass das Finanzministerium sich die Sorgen und Kritik der internationalen Zivilgesellschaft anhört.

Wie sieht insgesamt eure Strategie aus? Denkst du, dass eine verhältnismäßig kleine deutsche NGO wie urgewald die Standards bei der AIIB beeinflussen kann? Zumal China sich bekanntermaßen ungern von ausländischen Staaten und besonders von NGOs hereinreden lässt.

urgewald kann Peking sicher nicht direkt beeinflussen. Daher müssen wir uns auf die Position der eigenen Regierung konzentrieren und diese versuchen zu verbessern. 

Stimmt es eigentlich, dass es bei der AIIB nur um Asien geht? Kriegen wir hier in Deutschland durch Chinas zunehmenden globalen Einfluss irgendwann vielleicht auch vor der eigenen Haustür die Folgen der Bank zu spüren?

Die weltweiten Investitionen Chinas wie die für das Megaprojekt Neue Seidenstraße beeinflussen Umwelt- und Menschenrechtsfragen auf globaler Ebene. Hier wird die AIIB eine wichtige Rolle spielen. Letzten Endes werden uns Projekte der Bank also auch direkt betreffen.

 

(Das Interview führte urgewald-Praktikantin Sofie Lutterbeck im Juni 2018)