Neue Recherche enthüllt Banken und Investoren, die den globalen Kohlekraftwerksausbau finanzieren

Medienbriefing
Kattowitz 05.12.2018

Klimagipfel in Polen

Während der Weltklimarat und das UN-Umweltprogramm in jüngsten Berichten einen zügigen Kohleausstieg dringend anmahnen, wächst die globale Kohlekraftwerksflotte weiter. Heute haben die Organisationen urgewald und BankTrack zusammen mit 26 Partner-NGOs während des UN-Klimagipfels neue Forschungsergebnisse veröffentlicht, die die Banken und Investoren hinter diesen Kohleprojekten zeigen. „In den drei Jahren seit Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens ist die weltweite Kohlekapazität um über 92.000 Megawatt gewachsen und Kohlekraftwerke mit über 670.000 MW sind noch in der Planung“, warnt Heffa Schücking, Geschäftsführerin der deutschen NGO urgewald.

Wie die Studie belegt, hat die Finanzindustrie zwischen Januar 2016 und September 2018 die weltweit führenden 120 Entwickler von Kohlekraftwerken mit mehr als 478 Mrd. US-Dollar versorgt. „Wenn Banken und Investoren ihre Finanzflüsse für die Entwickler von Kohlekraftwerken nicht rasch einstellen, wird es unmöglich sein, die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Wir sind bereits kurz davor, die 1,5°C-Grenze zu überschreiten und die Zeit läuft ab“, sagt Greig Aitken, Klima-Campaigner der NGO BankTrack.

In der Recherche haben urgewald und BankTrack die Kreditgeber, Aktien- und Anleihedienstleister sowie die institutionellen Investoren der 120 größten Entwickler von Kohlekraftwerken untersucht, die für über 68 % der neu geplanten Kohlekapazitäten weltweit verantwortlich sind.[1] 

Einen Überblick über die wichtigsten Banken und Investoren sowie Grafiken zur regionalen Verteilung der finanziellen Unterstützung finden Sie im Anhang dieses Briefings. Unter www.coalexit.org/finance-data können Sie sämtliche Ergebnisse einsehen und nach Ergebnissen für einzelne Unternehmen, Banken oder Investoren suchen.

Wichtigste Ergebnisse:

Kreditgeber für neue Kohlekraftwerke

Seit dem 1. Januar 2016 haben 235 Geschäftsbanken Direktkredite in Höhe von über 101 Mrd. US-Dollar an die 120 führenden Entwickler von Kohlekraftwerken vergeben. Die größten Kreditgeber sind die japanischen Banken Mizuho Financial und Mitsubishi UFJ Financial mit 12,8 Mrd. bzw. 9,9 Mrd. US-Dollar.

Eine regionale Aufschlüsselung der Daten zeigt, dass von 2016 bis September 2018 30% der Kredite von japanischen Banken bereitgestellt wurden. Die herausragende Rolle der japanischen Banken lässt sich leicht erklären, so Kimiko Hirata von der japanischen NGO Kiko Network: „Japan hat unter den Industrieländern die größten Neubaupläne für Kohlekraftwerke und viele japanische Unternehmen sind stark an der Entwicklung neuer Kohlekraftwerke im Ausland beteiligt. Auch die japanischen Banken sind daher wichtige Treiber des weltweiten Kohleausbaus.“

Heffa Schücking sagt: „Überraschend ist, dass die europäischen Banken - von denen viele neue Richtlinien gegen Kohle beschlossen haben - immer noch ein Viertel des weltweiten Kreditvolumens an führende Kohlekraftwerksentwickler verantworten.“

Zu den zehn wichtigsten Kreditgebern für Kohlekraftwerksentwickler gehören die Citigroup aus den USA (3,4 Mrd. USD) sowie die europäischen Banken HSBC (2,3 Mrd. USD), Standard Chartered (2,2 Mrd. USD) und ING (1,9 Mrd. USD). Die Rangliste für die einzelnen Banken ist im Anhang zu finden.

Greig Aitken von BankTrack kommentiert: „Obwohl die Bank HSBC im April dieses Jahres eine neue Kohle-Richtlinie verabschiedet hat, ließ sie die Tür für die Finanzierung neuer Kohlekraftwerke in Vietnam, Indonesien und Bangladesch ausdrücklich offen. Allein die geplanten Kohlekraftwerke in diesen drei Ländern belaufen sich auf über 103.000 MW - fast ein Sechstel der weltweiten Neubaupläne.“

Die meisten Kredite an Kohlekraftwerksentwickler werden in Form von Firmenkrediten vergeben und diese Art von Krediten ist oft nicht durch neue Kohle-Richtlinien abgedeckt. So hat Standard Chartered in diesem Jahr eine neue Kohle-Richtlinie verabschiedet, die besagt: „Wir werden keine neuen Kohlekraftwerksprojekte direkt finanzieren“. Obwohl die britische Bank weder 2017 noch 2018 an direkten Projektfinanzierungen für Kohlekraftwerke beteiligt war, stieg ihr Firmenkreditvolumen an führende Kohlekraftwerksentwickler in China, Indonesien, Japan und den Philippinen von 373 Millionen US-Dollar im Jahr 2017 auf 1,18 Milliarden US-Dollar in den ersten drei Quartalen 2018.

Sogar die niederländische Bank ING, deren Kohle-Richtlinie von 2017 beinhaltet die Finanzierung von Kohlekraftwerken bis 2025 auslaufen zu lassen, stellte 2018 fast 500 Millionen US-Dollar für Kohlekraftwerksentwickler durch Kredite und Investment-Dienstleistungen bereit.

„Diese Beispiele zeigen, dass die Kohle-Richtlinien der Banken immer noch voller Schlupflöcher sind. Wenn große Banken hier nicht bald die Tür für Firmenkredite und Investment-Dienstleistungen schließen, wird es unmöglich sein die Pariser Klimaziele zu erreichen“, sagt Schücking.

Wichtigste Investmentbanken der Kohlekraftwerksentwickler

Obwohl chinesische Banken nur 12 % der direkten Kredite an Kohlekraftwerksentwickler ausmachen, sind sie Riesen, wenn es um Aktien- und Anleiheemissionen für diese Unternehmen geht. 

Seit Januar 2016 haben 238 internationale Banken über 377 Milliarden US-Dollar im Rahmen solcher Emissionsgeschäfte für die Entwickler von Kohlekraftwerken ermöglicht.[2] Der weltweit führende Dienstleister für Kohlekraftwerkentwickler in diesem Feld ist die Industrial and Commercial Bank of China mit 24,5 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der China International Trust and Investment Corporation (CITIC) mit 19 Milliarden US-Dollar und der Bank of China mit 18,2 Milliarden US-Dollar. Insgesamt stecken chinesische Banken hinter fast 73 % solcher Aktien- und Anleigeschäfte von Kohlekraftwerksentwicklern. Diese Zahl spiegelt die dominante Rolle Chinas bei der Entwicklung von Kohlekraftwerken wider. Neben mehr als 259.000 MW neuer Kapazität innerhalb Chinas, planen chinesische Unternehmen fast 60.000 MW neuer Kohlekraftwerkskapazität im Ausland. Und Chinas staatlich kontrollierte Banken spielen eine zentrale Rolle bei der Kapitalbeschaffung für diese Kohle-Flut im In- und Ausland.

Mehrere US-amerikanische, europäische und japanische Banken, die wichtige Kreditgeber für Kohlekraftwerksentwickler sind, unterstützen diese gleichzeitig bei Aktien- und Anleihegeschäften. Dazu gehören die Citigroup (6 Mrd. USD), HSBC (5,2 Mrd. USD) und Mizuho Financial (5,2 Mrd. USD). Insgesamt machen die europäischen Banken 7,5 %, die japanischen Banken 5,2 % und die US-Banken 4,7 % der Finanzflüsse an Kohlekraftwerksentwickler durch solche Dienstleistungen aus.

Wichtigste institutionelle Investoren der Kohlekraftwerksentwickler

Während Banken eine zentrale Rolle bei der Kapitalbeschaffung von Kohlekraftwerksentwicklern durch Aktien- und Anleiheemissionen spielen, sind die Endabnehmer dieser Wertpapiere Investoren. Für 2018 identifizierten die NGOs in ihrer Studie 1.206 institutionelle Investoren mit einem gesamten Investitionsvolumen von 139 Mrd. US-Dollar in die 120 wichtigsten Kohlekraftwerksentwickler.[3] 

Der weltweit größte Investor in diesem Bereich ist der US-amerikanische Investment-Riese BlackRock, der Aktien und Anleihen im Wert von 11 Milliarden US-Dollar an 56 Kohlekraftwerksentwicklern hält. Der zweitgrößte Investor ist der japanische Government Pension Investment Fund, der Investitionen in Höhe von 7,3 Milliarden US-Dollar in 41 Kohlekraftwerksentwickler getätigt hat. Danach folgen Malaysias Khazanah Nasional (6,7 Mrd. USD), der US-Vermögensverwalter Vanguard (6,2 Mrd. USD) und der südkoreanische National Pension Service (4,5 Mrd. USD).

„Viele der in unserer Studie genannten Investoren und Banken bekennen sich zum Klimaschutz. Aber während die Regierungen in Kattowitz über die Zukunft unseres Klimas diskutieren, verbrennen die Geldströme dieser Investoren buchstäblich die Klimaziele der Politik“, sagt Heffa Schücking.

In den USA ansässige Investoren halten die größten Anteile an Kohlekraftwerksentwicklern. Insgesamt machen US-Investoren 35 % der institutionellen Investitionen in diese Unternehmen aus. Europäische Investoren haben einen Anteil von 16 %, japanische Investoren von 14 %, während chinesische und indische Investoren 6 % bzw. 7 % der institutionellen Investitionen in Anleihen und Aktien von Kohlekraftwerksentwicklern verantworten.

Blick nach vorn

Nicht alle Nachrichten sind schlecht. Einige institutionelle Investoren haben begonnen zu handeln: In den Jahren 2017 und 2018 haben drei der weltweit größten Versicherungsgesellschaften - AXA, Generali und Allianz - Richtlinien verabschiedet, die die größten Kohlekraftwerksentwickler aus ihren Portfolios verbannen. Und erst vor wenigen Tagen kündigte Norwegens größter privater Vermögensverwalter Storebrand einen vollständigen Ausstieg aus allen Kohle-Investitionen bis 2026 an.

„Die Finanzindustrie als Ganzes muss sich diesem Kurs anschließen“, sagt Greig Aitken. „Es ist beschämend, dass große Banken und Investoren immer noch Komplizen von Unternehmen sind, deren Geschäfte eine Blaupause für die Klimakatastrophe sind.“

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[1] Eine vollständige Liste dieser Unternehmen finden Sie unter: www.coalexit.org/database
[2] Dieses so genannte „Underwriting“ ist ein Teil des Investment Banking und beschreibt den Prozess, mit dem Banken Investitionskapital für Unternehmen beschaffen, indem sie ihnen helfen neue Aktien oder Anleihen zu platzieren. In der Regel kaufen die Banken die neu ausgegebenen Anleihen oder Aktien und verkaufen sie dann mit Gewinn an andere Investoren weiter.
[3] Zu den institutionellen Investoren, die für diese Studie berücksichtigt wurden, gehören Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften, Investmentfonds, Vermögensverwaltungsgesellschaften, Geschäftsbanken und Staatsfonds. Es ist wahrscheinlich, dass die Investitionen dieser Institutionen in die Entwickler neuer Kohlekraftwerke deutlich höher liegen als angegeben. Die berücksichtigten Anleihebestände in den Finanzdatenbanken sind oft unvollständig und viele Pensionsfonds melden ihre Bestände nicht.

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Stefanie Jellestad

    Stefanie Jellestad
    Pressesprecherin
    stefanie.jellestad [at] urgewald.org
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